Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
denn der Renegat fand keine Gelegenheit, seinen Vorsatz auszuführen. Er sah nun, daß er sicher nach Sargel schiffen und zurückkommen konnte, wie er Anker werfen könne, wo er nur wolle, und daß der Tagariner, sein Gefährte, keinen anderen Willen habe als er selber, daß ich schon losgekauft war und wie jetzt nur noch einige Christen zum Rudern fehlten. Er sagte mir daher, daß ich noch außer den Ausgelösten welche suchen möchte, die mit uns gingen, die ich auf den nächsten Freitag bestellen solle, an welchem wir unsere Abreise beschlossen hatten. Als es so weit gediehen war, nahm ich mit zwölf Spaniern Abrede, alle starke, zum Rudern tüchtige Leute und die noch am freiesten aus der Stadt gehen konnten. Es war ein großes Glück, daß ich so viele traf, denn es waren zwanzig Schiffe auf Beute ausgelaufen und hatten alle Ruderer mitgenommen, ich hätte auch diese nicht gefunden, wenn ihr Herr in diesem Sommer nicht zu Hause geblieben wäre, ohne auf Beute auszugehen, um eine Galeere fertigzumachen, die auf der Werft lag. Diesen sagte ich weiter nichts, als daß sie sich am künftigen Freitag nach der Dämmerung einer nach dem anderen herausschleichen sollten, sich auf dem Wege nach dem Garten des Agimorato versammeln und dort so lange warten, bis ich kommen würde. Jedem sagte ich besonders, daß, wenn er andere Christen dort träfe, er nur sagen möchte, ich hätte ihm befohlen, dort zu warten.
Da dies getan war, blieb mir noch etwas, und zwar das Wichtigste, zu tun übrig, nämlich Zorayda zu benachrichtigen, wie weit es mit unserer Unternehmung gekommen sei, damit sie nicht überrascht würde und erschrecke, wenn sie uns plötzlich viel früher sähe, als sie glauben konnte, daß schon eine Barke aus einem christlichen Lande angekommen sei. Ich beschloß, in den Garten zu gehen und die Gelegenheit zu suchen, sie zu sprechen. Unter dem Vorwand also, einige Kräuter zu pflücken, begab ich mich den Tag vor unserer Abreise dorthin, und der erste, der mir aufstieß, war ihr Vater, der mich in der Sprache anredete, die in der ganzen Berberei und auch in Konstantinopel zwischen den Sklaven und Mohren gesprochen wird, und die weder Mohrisch noch Spanisch, noch irgendeine andere Sprache ist, sondern ein Gemisch aus allen Sprachen, mit dem man sich gegenseitig versteht. In dieser Sprache also fragte er mich, was ich in seinem Garten suche und wem ich angehöre. Ich antwortete, daß ich ein Sklave des Arnauten Mami sei, denn ich wußte, daß dieser sein Freund war, und ich suche Kräuter, um einen Salat zu bereiten. Er fragte mich weiter, ob ich mich auslösen wolle oder nicht und wieviel mein Herr für mich verlange.
Indem wir so miteinander sprachen, kam die schöne Zorayda aus dem Gartenhause, die mich schon längst bemerkt hatte, und da die Mohrinnen kein Bedenken tragen, sich den Christen zu zeigen und ihnen niemals ausweichen, so kam sie auch gerade auf die Gegend zu, wo ich mit ihrem Vater stand. Da dieser sie aus der Ferne bemerkte, rief er sie auch herbei, daß sie zu uns kommen möchte. Ich kann unmöglich jetzt die große Schönheit, den Anstand und den reichen und kostbaren Schmuck beschreiben, womit sich meine geliebte Zorayda meinen Augen zeigte; es hingen mehr Perlen an ihrem schönen Halse, in den Ohren und Haaren, als sie Haare auf dem Haupte hatte. Um die Knöchel der Füße, die sie nach dortiger Weise entblößt trug, hatte sie zwei Spangen vom feinsten Golde, mit so vielen Diamanten besetzt, daß ihr Vater, wie sie mir nachher erzählt hat, diese allein auf zehntausend Dublonen schätzte; um die Gelenke der Hand trug sie ähnliche Kleinodien von gleichem Werte. Die Perlen waren ungemein schön und in ungeheurer Menge, denn der größte Putz bei den Mohren besteht darin, sich mit kostbaren großen und kleinen Perlen zu schmücken, darum gibt es auch bei den Mohren mehr Perlen als bei allen übrigen Nationen; und der Vater der Zorayda war dafür bekannt, die meisten und schönsten in Algier zu besitzen. Außerdem schätzte man sein Vermögen auf mehr als zweimalhunderttausend spanische Taler; von allem diesem war diejenige Gebieterin, die jetzt die meinige ist. Ob sie mit so vielem Schmucke, in vollem Glücke, schön erscheinen konnte, mögt ihr aus dem schließen, was sie noch nach so vielen überstandenen Leiden ist, denn es ist bekannt, daß die Schönheit der Frauen nach Tagen und Zeiten wechselt und durch Zufälle vermindert oder vermehrt werden kann, auch ist es natürlich, daß die
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