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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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die Phantasie vorführt, und alles, was an sich häßlich und ohne Verhältnis ist, kann in uns keine Art des Wohlgefallens erregen. Denn welche Schönheit oder welches Verhältnis der Teile zum Ganzen und des Ganzen zu seinen Teilen läßt sich doch wohl in einer Geschichte erwarten, in welcher ein Bursche von sechzehn Jahren auf einen turmhohen Riesen einhaut und ihn in zwei Hälften schneidet, als wäre er aus Pfefferkuchen gebacken? Und wenn man uns eine Schlacht malen will, nachdem vorher gesagt wird, daß auf der feindlichen Partei mehr als eine Million Menschen gewesen ist? Der Held des Buches macht sich nun an diese, und so schwer es uns auch ankommt, so müssen wir es doch glauben, daß ein solcher Ritter bloß durch die Tapferkeit seines starken Armes den Sieg erfochten hat. Was soll man zu der Leichtigkeit sagen, mit der sich eine Königin oder die Erbin eines Kaiserthrones in die Arme eines irrenden und unbekannten Ritters wirft? Welcher Sinn, wenn er nicht durchaus barbarisch und ungebildet ist, kann sich doch daran ergötzen, wenn er liest, wie ein großer Turm voller Ritter über das Meer hinwegschwimmt, gleich einem Schiffe mit günstigem Winde, wie sie heute abend in der Lombardei und morgen früh mit Tagesanbruch in den Ländern des Priesters Johann von Indien ankommen oder in anderen, die Ptolomäus nie entdeckt und Marco Polo nie gesehen hat? Will man hierauf antworten, daß diejenigen, die dergleichen Bücher schreiben, sie für nichts als leere Erdichtungen ausgeben, wodurch sie nicht gezwungen sind, auf Kleinigkeiten oder auf die Wahrheit achtzugeben, so antwortete ich ihnen darauf, daß die Erdichtung um so besser ist, je näher sie der Wahrheit kommt, und um so angenehmer, je inniger sie das Zweifelhafte mit dem Möglichen verbindet. Man muß die Erdichtungen mit dem Verstande der Leser in Einklang zu bringen suchen und so schreiben, daß das Unmögliche näher gerückt, das Hohe vertrauter gemacht ist, so daß die Gemüter in Spannung bleiben, wodurch denn zu gleicher Zeit Bewunderung, Spannung, Erschütterung und Unterhaltung so entsteht, daß Erstaunen und Ergötzen immer vereinigt sind; alles dieses vermag aber derjenige gar nicht zu bewirken, der sich von der Wahrscheinlichkeit und der Nachahmung entfernt, in denen nur allein die Vollkommenheit der Darstellung besteht. Ich habe noch kein Ritterbuch gesehen, dessen Fabel ein zusammenhängender Körper mit allen seinen Gliedern wäre, so daß die Mitte zum Anfange und das Ende zum Anfange und der Mitte stimmte, sondern diejenigen, die sich mit so vielen Gliedern zusammensetzen, scheinen mehr die Absicht zu haben, eine Schimäre oder ein Ungeheuer hervorzubringen, als eine verhältnisvolle Gestalt zu bilden. Außerdem sind sie im Stile hart, in den Taten unmöglich, in der Liebe unzüchtig, in den Artigkeiten ungezogen, in den Schlachten weitläufig, in den Reden töricht, in den Reisen unsinnig, und kurz, durchaus einem verständigen Kunstwerke entgegengesetzt und deshalb wert, als heilloses Gesindel aus einem christlichen Staate verbannt zu werden.«
    Der Pfarrer hörte ihm mit großer Aufmerksamkeit zu und sah, daß er ein Mann von feinem Verstande war, auch daß er in dem, was er behauptete, recht habe; er sagte ihm also, daß er derselben Meinung sei, und da er ebenfalls die Ritterbücher hasse, habe er die des Don Quixote alle verbrannt, deren nicht wenige gewesen. Er erzählte ihm hierauf das Gericht, welches er über sie gehalten, und nannte ihm die, welche er verdammt, und diejenigen, denen er das Leben geschenkt hatte, worüber der Kanonikus sehr lachte und sagte, daß, soviel Böses sich von diesen Büchern sagen ließe, sie doch etwas Gutes an sich hätten, nämlich den Gegenstand, den sie bearbeiteten. Denn ein guter Kopf könne sich in ihnen in seinem ganzen Vermögen zeigen, weil sie einen weiten und geräumigen Plan darböten, auf welchem sich ohne alles Hindernis die Feder herumtummeln könnte und bald Schiffbrüche beschreiben, Unglück, Zweikämpfe und Schlachten, dann wieder einen großen Feldherrn in seiner ganzen Bedeutung darstellen, der seine Klugheit zeigt und der List des Feindes zuvorkommt, der als geübter Redner seine Soldaten überredet oder abredet, der langsam in Ratschlüssen, schnell in der Entscheidung ist, ebenso mutig, wenn er den Feind erwartet, als wenn er ihn angreift. Hier kann ein kläglicher und trauriger Vorfall geschildert werden, dort eine unerwartet fröhliche Begebenheit; bald eine schöne,

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