Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
reden anfangen? Wie viele falsche Wunder werden da erfunden, wie viele apokryphische und schlecht verstandene Dinge, wenn einem Heiligen die Wunder eines anderen zugeschrieben werden? Ja sie unterstehen sich sogar, in weltlichen Komödien Wunder zu tun, ohne alle Rücksicht und Vernunft, bloß weil sie glauben, daß sich an dem und dem Orte ein Wunderwerk oder Erscheinung, wie sie es nennen, gut ausnehmen würde, damit sich unverständige Menschen darüber freuen und der Komödie zulaufen. Alles dies geschieht zum Nachteil der Wahrheit, zum Verderben der Geschichte, ja zur Schande der spanischen schönen Geister; denn die Fremden, die die Gesetze der Komödie sehr genau beobachten, halten uns für barbarisch und unwissend, wenn sie die abgeschmackten Schauspiele sehen, die bei uns geschrieben werden. Es wäre keine hinlängliche Entschuldigung, wenn man sagen wollte, daß die Hauptabsicht, die gut eingerichtete Staaten haben, wenn sie die öffentliche Vorstellung der Komödien erlauben, darin bestehe, die Leute mit irgendeiner unschuldigen Ergötzung zu unterhalten und zugleich die bösen Gedanken zu zerstreuen, die der Müßiggang zu erzeugen pflegt; und da das durch jede Komödie geschieht, sie mag gut oder schlecht sein, so sei es unnötig, Gesetze darüber zu geben, oder diejenigen, die sie schreiben oder vorstellen, einzuschränken, als wenn sie es so tun müßten, wie es recht ist, denn mit jedem Schauspiel werde ja der Endzweck erreicht, den man sich vorgesetzt hat. Worauf ich aber antworten würde, daß dieser Endzweck ohne allen Vergleich besser durch die guten Komödien, als durch die schlechten erreicht wird, denn derjenige, der die kunstreiche, gut angeordnete Komödie sieht, wird über den Scherz beim Anhören vergnügt, von der Wahrheit unterrichtet, über die Begebenheiten erstaunt, durch das Raisonnement vernünftig, durch die Hindernisse vorsichtig, scharfsinnig durch die Beispiele, empört gegen die Laster und enthusiastisch für die Tugend. Alle diese Wirkungen bringt die Komödie in dem Gemüt des Zuschauers hervor, wenn er auch noch so bäurisch und unempfindlich ist; und es ist durchaus unmöglich, daß eine Komödie, die diese Eigenschaften besitzt, nicht in einem höheren Grade unterhalten und vergnügen sollte, als diejenige, der alles dieses fehlt, wie es denn dem größten Teil von denen daran mangelt, die gewöhnlich vorgestellt werden. Die Poeten, die sie schreiben, sind nicht schuld daran, denn einige von ihnen wissen recht gut, worin sie irren, und sind erfahren in allem, was sie hervorbringen sollen; da aber die Komödien eine verkäufliche Ware geworden sind, so sagen sie, und das mit Recht, daß die Schauspieler sie nicht kaufen, wenn sie nicht von der Art sind, und darum richtet sich der Poet nach dem Schauspieler und macht die Komödie so, wie der sie haben will, der sie bezahlt. Daß dieses die Wahrheit sei, sieht man aus außerordentlich vielen Komödien, die eines unserer glücklichsten Genies geschrieben hat, und die so geschmückt, so zierlich sind, die Verse so wohlklingend, die Reden so gut, die Sentenzen so tiefsinnig, und kurz, die so voll von Beredsamkeit und in einem so erhabenen Stil gedichtet sind, daß die Welt von seinem Ruhme durchdrungen ist; da er sich aber nach dem Geschmack der Schauspieler richtet, haben nicht alle, so wie einige darunter, die Vollkommenheit erreicht, die sie erfordern. Andere schreiben so ohne Überlegung, daß, wenn ihre Stücke einmal gegeben sind, sich die Schauspieler sogleich entfernen und verbergen müssen, um nicht bestraft zu werden, wie es schon einigemal geschehen ist, weil sie etwas dargestellt haben, das gegen einen König oder zur Unehre einer vornehmen Familie war. Alle diese Mißbräuche würden wegfallen, nebst anderen, deren ich gar nicht erwähnt habe, wenn bei Hofe ein verständiger Mann dafür angestellt würde, der alle Komödien, ehe sie dargestellt werden, untersuchte; nicht nur die jenigen, die in der Residenz vorgestellt werden, sondern auch die, die man in ganz Spanien spielt, und ohne dessen Bewilligung und Unterschrift die Obrigkeit nirgends eine Komödie aufführen ließe. Alsdann würden die Komödianten Sorge tragen, die Komödien in die Residenz zu schicken, worauf sie sie mit Sicherheit darstellen könnten, diejenigen, aber, die sie schreiben, würden sie mit mehr Sorgfalt und Studium ausarbeiten, weil sie sich fürchten müßten, ihr Werk der strengen Prüfung eines Mannes zu unterwerfen, der der Sachekundig
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