Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
genau darauf achtgab, man darauf geschworen hätte, daß er wohl zehn verschiedene ganze Anzüge und über zwanzig Federbüsche in seinem Vermögen habe. Das, was ich euch hier von seinen Kleidungen erzähle, ist nicht zu umständlich oder gar überflüssig, denn sie nehmen in dieser Geschichte eine bedeutende Stelle ein. Er setzte sich wohl auf eine Bank, die auf dem freien Platze unter einer großen Pappel steht, wo wir ihm mit Erstaunen und offenem Munde zuhörten, wenn er uns seine Taten hererzählte. Da war kein Land auf der ganzen Welt zu finden, das er nicht gesehen hatte, keine Schlacht, in der er nicht gewesen war; er hatte mehr Mohren umgebracht, als in Marokko und Tunis wohnen, und nach seiner Erzählung mehr Zweikämpfe bestanden als Gante, oder Luna, oder Diego Garcia de Paredes, und tausend andere, deren Namen er im Munde führte, und in allen war er Sieger gewesen, ohne nur einen Tropfen von seinem Blute zu vergießen. Einandermal zeigte er uns wieder seine Narben, die zwar nicht sehr in die Augen fielen, wovon er aber behauptete, daß sie von Flintenkugeln herrührten, die ihn in verschiedenen Treffen und Scharmützeln getroffen hätten. Er ging so weit, daß er mit unbeschreiblicher Grobheit Leute Du nannte, die so viel wie er waren, ja die sein ganzes Herkommen kannten, wobei er immer sagte, sein Arm sei sein Vater, seine Taten seine Familie, und als Soldat sei er ebensoviel als der König. Zu diesen Unverschämtheiten kam noch das hinzu, daß er eine Art von Musiker war, denn er nahm oft eine Gitarre und klimperte darauf, so daß etliche von ihm sagten, das Instrument spräche unter seinen Händen; das waren aber noch nicht alle seine Vorzüge, denn er gab sich auch für einen Poeten aus und schrieb über jede Kinderei, die im Dorfe vorfiel, meilenlange Romanzen.
Diesen Soldaten also, den ich jetzt geschildert habe, diesen Vincente Roca, diesen Braven, diesen Galanten, diesen Musiker und diesen Poeten sah Leandra oftmals aus einem Fenster ihres Hauses, das auf den großen Platz hinausging. Sie wurde in den Goldschaum auf seinen herrlichen Kleidern verliebt, von seinen Romanzen bezaubert, die er immer in zwanzig Abschriften herumgab, sie hörte von seinen großen Taten, die alle nur aus seiner eigenen Erzählung kannten, und kurz, der Teufel fügte es so und richtete es so ein, daß sie in ihn verliebt wurde, ehe er nur auf den Gedanken gekommen war, ihr seine Aufwartung zu machen.
Keine verliebten Abenteuer gehen aber so schnell vonstatten, als die, wo die Dame zuerst den Anfang macht, und daher wurden auch Leandra und Vincente bald miteinander einig. Ehe noch einer von ihren Werbern auf ihre Absicht verfiel, hatte sie sie schon durchgesetzt, denn sie hatte auf einmal das Haus ihres zärtlichen Vaters verlassen, eine Mutter hatte sie nicht mehr, und war mit dem Soldaten aus dem Dorfe geflohen, der aus diesem Abenteuer größeren Ruhm davontrug als aus allen übrigen, mit denen er prahlte.
Alle im Dorfe verwunderten sich über diese Begebenheit, wie jeder Fremde, der etwas davon hörte; ich war erstaunt, Anselmo außer sich, der Vater traurig, die Verwandten aufgebracht, die Gerechtigkeit in Bewegung, die Häscher ausgeschickt; sie streiften auf den Wegen, forschten genau in Wäldern und Büschen nach, und nach drei Tagen fanden sie die schwärmerische Leandra in der Höhle eines Berges, bis auf das Hemde ausgezogen und ihres vielen Geldes und ihrer kostbaren Kleinodien beraubt, die sie aus ihrem Hause mit sich genommen hatte. Sie wurde zu ihrem betrübten Vater zurückgebracht, und diesem gestand sie auf seine Fragen ohne Weigerung, daß Vincente de la Roca sie betrogen habe, er habe versprochen, sie zu heiraten, und sie dadurch aus dem Hause ihres Vaters gelockt, unter dem Vorgeben, sie nach der prächtigsten und lasterhaftesten Stadt auf der ganzen Welt, nämlich nach Neapel, zu bringen. Sie, getäuscht und unvorsichtig, habe ihm geglaubt, sei ihrem Vater entflohen und habe sich ihm in jener Nacht anvertraut, in der man sie vermißte, hierauf sei sie von ihm in das wilde Gebirge geführt und von ihm in jener Höhle verschlossen, in welcher man sie wiedergefunden. Sie erzählte auch, wie der Soldat ihr alles genommen, ohne ihr doch die Ehre zu rauben, sie in jener Höhle gelassen und sich darauf entfernt habe: ein Umstand, der uns von neuem in Verwunderung setzte. Sehr schwer, meine Herren, ließ sich an diese Enthaltsamkeit des jungen Menschen glauben; sie beteuerte dies aber so oft, daß ihr
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