Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
zu Eurer Rechtfertigung; denn es ist weiter nichts zu sagen, oder zu denken, oder irgend in der Welt noch zu erinnern. Dieser Herr leugnet, daß es in der Welt irrende Ritter gibt, noch gegeben habe; aber was tut das, da er nichts von den Sachen versteht, wovon er spricht?«
»Vielleicht«, sagte der Geistliche, »seid Ihr, mein Freund, jener Sancho Pansa, dem sein Herr eine Insel versprochen haben soll?«
»Freilich bin ich der nämliche«, antwortete Sancho, »und ich verdiene sie wohl ebensogut als irgendein anderer. Ich bin einer, der sich zu den Guten hält und selber einer von ihnen werden wird; und ich bin einer von denen, von denen es heißt: ›Nicht mit wem du geboren, sondern von wem du erkoren, und wer an einen guten Baum sich stützt, wird auch durch guten Schatten gestützt.‹ Ich habe mich an meinem braven Herrn gestützt; und schon seit vielen Monaten bin ich in seiner Gesellschaft und werde ein zweiter Er werden, wenn es Gott gefällt. Und bleibe er nur leben und ich, so wird es ihm nicht an Königreichen fehlen, die er beherrscht, noch mir an Inseln, die ich regieren kann.«
»Wahrhaftig nicht, Freund Sancho«, sagte hierauf der Herzog; »denn ich übergebe Euch im Namen des Herrn Don Quixote die Statthalterschaft von einer, die ich unter etlichen andern besitze und die nicht unbedeutend ist.«
»Knie nieder, Sancho«, sagte Don Quixote, »und küsse Seiner Exzellenz die Füße für die Gnade, die sie dir erzeigt hat.«
Sancho tat es; als aber der Geistliche dies sah, stand er im äußersten Zorne vom Tische auf und sagte: »Vermöge des Kleides, welches ich trage, muß ich bekennen, daß Euer Exzellenz so albern sind wie diese Sünder. Es ist kein Wunder, daß sie närrisch sind, wenn die Klugen ihre Narrheiten autorisieren. Bleibe Euer Exzellenz in ihrer Gesellschaft; denn solange sie im Hause sind, werde ich mich in dem meinigen aufhalten und mir die Mühe sparen, das zu tadeln, was ich nicht bessern kann.« Ohne weiter etwas zu sagen oder noch zu essen, ging er fort, so daß die Bitten des herzoglichen Paares nicht vermögend waren, ihn zurückzuhalten, obgleich ihm der Herzog nicht viel sagte, woran ihn das Lachen verhinderte, welches sein übertriebener Ärger ihm erregt hatte.
Der Herzog hörte endlich auf zu lachen und sagte zu Don Quixote: »Euer Gnaden, der Herr Ritter von den Löwen, hat für sich schon so erhaben geantwortet, daß er weiter keine Genugtuung braucht über das, was zwar einer Beleidigung gleichsieht, es aber auf keine Weise ist, denn so wie Weiber nicht beleidigen können, können es auch die Geistlichen nicht, wie Ihr es besser wissen werdet als ich.«
»So ist es«, antwortete Don Quixote; »denn derjenige, der nicht beleidigt werden kann, kann auch keinen anderen beleidigen. Die Weiber, die Kinder und die Geistlichen, da sie sich nicht verteidigen können, wenn sie auch beleidigt werden, können nicht beschimpft werden; denn zwischen der Beleidigung und der Beschimpfung ist dieser Unterschied, wie Euer Exzellenz wissen wird. Die Beschimpfung kommt von einem, der sie geben kann, sie auch gibt und fortführt; die Beleidigung aber kann von jeglichem kommen, ohne daß sie beschimpft. Zum Beispiel, es geht einer sorglos auf der Gasse, zehn kommen mit bewehrter Hand und schlagen ihn; er zieht den Degen und tut seine Schuldigkeit, aber die Menge seiner Gegner hindert ihn, so daß er seine Absicht nicht durchführen kann, sich nämlich zu rächen. Ein solcher ist beleidigt, aber nicht beschimpft. Das nämliche wird ein anderes Beispiel bestätigen. Einer steht und der andere kommt hinter seinen Rücken und schlägt ihn, entflieht aber, indem er dies tut; jener verfolgt ihn, kann ihn aber nicht einholen. Derjenige, der die Schläge empfangen, hat eine Beleidigung empfangen, aber keine Beschimpfung; denn die Beschimpfung muß fortgesetzt werden. Wenn derjenige, der die Schläge gab, sie auch hinterrücks gegeben hätte, aber den Degen gezogen und geblieben wäre, indem er seinem Feinde die Stirn geboten, so wäre der Geschlagene zugleich beleidigt und beschimpft gewesen; beleidigt, weil man ihn verräterisch angefallen; beschimpft, weil derjenige, der es getan, das fortsetzt, was er getan hat, sich nicht fortmacht, sondern vor ihm stehenbleibt, so daß ich mich also, nach den Gesetzen des verwünschten Duells, für beleidigt, aber nicht für beschimpft halten kann. Denn Kinder haben keine Meinung und Weiber ebensowenig, sie dürfen weder flehen noch standhalten, ebenso
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