Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
strittigen Fall zu seinem Vorteil, mein Gewissen mochte auch dagegen sagen, soviel es wollte. Er ging mit dem Gewinste fort, und als ich dachte, daß er mir doch zum wenigsten einen Taler verehren sollte, wie es Gebrauch und Sitte ist, diesen solchen angesehenen Leuten zu geben, wie ich bin, die zugegen sind, um zweifelhafte Fälle zu entscheiden und zum Besten zu sprechen, so strich er sein Geld ein und ging aus dem Hause. Ich ging ihm eilig nach und bat ihn mit freundlichen und höflichen Worten, daß er mir wenigstens acht Realen geben möchte, denn er weiß, daß ich ein vornehmer Mann bin und kein Amt und kein Einkommen besitze, denn meine Eltern haben mich in nichts unterrichtet, mir auch nichts hinterlassen. Aber der Schelm, ein Spitzbube wie Cacus und ein falscher Spieler wie Andradilla, will mir nicht mehr als vier Realen geben, woraus der Herr Statthalter seine Unverschämtheit und Gewissenlosigkeit abnehmen kann; wäre aber Euer Gnaden nur nicht herzugekommen, so hätte er seinen Gewinst wohl wieder ausspeien sollen, so daß er gelernt hätte, wie man sich in der Welt zu betragen hat.«
»Was sagt Ihr hierzu?« fragte Sancho.
Der andere antwortete, daß es die Wahrheit sei, was sein Gegner erzählt habe. Er hätte ihm nicht mehr als vier Realen geben wollen, weil es so oft vorkomme, daß diejenigen, die ein Geschenk erwarteten, auch höflich sein und das freundlich annehmen müßten, was man ihnen gebe, ohne sich darauf einzulassen, wieviel der andere gewonnen habe, wenn sie es nicht genau wüßten, daß der andere ein falscher Spieler sei und daß der Gewinner mit Unrecht gewonnen habe. Zum Beweise aber, daß er ein ehrlicher Mann und kein Spitzbube sei, wie jener behauptet habe, sei eben das hinreichend, daß er ihm nichts habe geben wollen, denn falsche Spieler seien den Zuschauern, die sie kennen, immer zinsbar.
»Das ist wahr«, sagte der Haushofmeister; »jetzt entscheide nun der Herr Statthalter, was mit diesen beiden Männern zu tun ist.«
»Dieses ist hierbei zu tun«, antwortete Sancho; »Ihr, der gewonnen hat, sei es nun mit Recht oder Unrecht, sollt sogleich diesem, der Euch angegriffen hat, hundert Realen geben, außerdem aber noch dreißig für die Armen im Gefängnisse erlegen. Ihr aber, der Ihr kein Amt und kein Einkommen habt und aufs Geratewohl in der Insel umherstreift, nehmt diese hundert Realen und verlaßt morgen am Tage auf zehn Jahre diese Insel als verbannt, bei Strafe, wenn Ihr dieses Gebot übertretet, es mit dem Leben zu büßen, denn ich will Euch an den Galgen hängen oder wenigstens soll es der Henker auf meinen Befehl tun; und keiner sage hiergegen ein Wort, oder er soll tüchtig bestraft werden.«
Der eine gab das Geld, der andere nahm es, dieser verließ die Insel, jener begab sich nach Hause, und der Statthalter sagte: »Ich bin willens, oder es müßte schwach mit mir stehen, alle diese Spielhäuser aufzuheben, denn ich sehe ein, daß sie sehr schädlich sind.«
»Dieses wenigstens«, sagte ein Schreiber, »wird Euer Gnaden nicht aufheben können, denn es gehört einem vornehmen Manne, der ohne Vergleich mehr im Jahr verliert, als ihm die Karten einbringen. Gegen andere Buden von geringerem Ansehen könnt Ihr Eure Macht beweisen, denn diese tun mehr Schaden und veranlassen mehr unerlaubte Dinge, als in den Häusern der angesehenen Ritter und Herren vorgehen darf, weil es die falschen Spieler nicht wagen, hier ihre Künste auszuüben; und da das Laster des Spielens doch einmal allgemein geworden ist, so ist es besser, daß in vornehmen Häusern gespielt wird als in Kneipen, wo man einen Elenden um Mitternacht aufgreift und ihn lebendig schindet.«
»Nun, Schreiber«, sagte Sancho, »ich weiß, daß sich darüber noch mancherlei sagen ließe.«
Indem kam ein Häscher vorbei, der einen jungen Menschen mit sich schleppte und sagte: »Herr Statthalter, dieser Bursche begegnete uns, und sowie er die Justiz merkte, wendete er um und fing an wie eine Gemse zu laufen, ein Zeichen, daß er ein Verbrecher ist; ich lief ihm nach, und wenn er nicht gestolpert und hingefallen wäre, hätte ich ihn niemals eingeholt.«
»Warum liefst du fort, Mensch?« fragte Sancho.
Worauf der junge Mensch antwortete: »Gnädiger Herr, um den vielen Fragen aus dem Wege zu gehen, die die Justiz zu tun
pflegt.«
»Was bist du?«
»Ein Weber.«
»Und was webst du?«
»Lanzenspitzen, mit Eurer gnädigen Erlaubnis.«
»Einen Spaßvogel haben wir also hier? Du willst den Lustigmacher
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