Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Schinkenknochen, an denen sich vielleicht nichts mehr zu essen fand, die aber doch immer noch das Abnagen lohnten. Zugleich stellten sie ein schwarzes Gericht hin, von dem sie sagten, daß es Kaviar hieße, welches aus Fischrogen gemacht wird und den Appetit zum Trinken sehr erweckt; es fehlte ihnen auch nicht an Oliven, die zwar trocken und ohne Zubereitung, aber schmackhaft und gut erhalten waren; was aber bei dieser leichten Mahlzeit am meisten in die Augen fiel, waren sechs Weinschläuche, wovon ein jeder einen aus seinem Schnappsacke hervorlangte. Als aber der wackere Ricote, der sich aus einem Morisken in einen Germanen oder Deutschen umgestaltet hatte, den seinigen vorbrachte, so sah man, daß er es in der Größe mit den übrigen fünfen aufnehmen könne. Sie fingen hierauf mit dem größten Appetit und sehr gemächlich zu essen an, indem sie jeden Bissen recht genossen, den sie mit der Messerspitze nahmen und von jeder Speise nur ein weniges kosteten, aber hierauf erhoben alle zugleich schnell ihre Arme und die Schläuche in die Luft, drückten ihre Lippen an den Mund der Flasche, hefteten die Augen auf den Himmel, so daß es schien, als wenn sie sich dort ein genaues Ziel zum Treffen setzten, und in dieser Stellung wackelten sie mit dem Kopfe von der einen zur anderen Seite, ein Zeichen, wodurch sie das Vergnügen, welches sie genossen, zu verstehen gaben, und so verblieben sie eine geraume Zeit, indem sie in ihre Mägen die Eingeweide der Schläuche hineinzapften. Alles dies sah Sancho mit an, nahm durchaus keinen Anstand daran, sondern um das Sprichwort wahr zu machen, welches er sehr gut kannte: wenn du nach Rom ziehst, tu’ wie du von anderen siehst, bat er den Ricote um seinen Schlauch und nahm ebenso sein Ziel wie die übrigen und mit nicht geringerem Vergnügen. Viermal ließen sich die Schläuche aufheben, aber zum fünften Male war es unmöglich, denn sie waren schon trocken und ausgesogener als ein Strohhalm, wodurch die Fröhlichkeit ziemlich zum Schweigen gebracht wurde, die man bis dahin gezeigt hatte. Von Zeit zu Zeit drückte einer mit seiner rechten Hand die des Sancho und sagte: »Spanier und Deutsch, beides gut Kerl«, und Sancho antwortete: »Gut Kerl, oder Teufel mich hol’!« Worauf er in Gelächter ausbrach, das eine Stunde dauerte, ohne weiter an das zu denken, was ihm als Statthalter begegnet war; denn in der Zeit, in welcher man ißt und trinkt, haben die Sorgen nur wenig Gewalt. Endlich war der Wein zu Ende, und alle fingen nun an zu schlafen, auf dem Tische und ihrem Tischtuche hingestreckt; nur Ricote und Sancho blieben munter, denn sie hatten mehr gegessen und weniger getrunken, und indem sich Ricote mit Sancho entfernte, setzten sie sich unter einer Buche nieder und ließen die Pilger in einem süßen Schlafe versunken, worauf Ricote, ohne in seiner Moriskensprache zu stammeln, in reinem Kastilianisch folgendes sagte:
»Du weißt, Sancho Pansa, mein lieber Freund und Nachbar, daß, als der Befehl und Bann Seiner Majestät gegen unsere Nation bekanntgemacht wurde, alle in Furcht und Schrecken gerieten; wenigstens war dies mit mir der Fall, und zwar so sehr, daß ich glaubte, noch vor der Zeit, die uns vergönnt war, um uns aus Spanien zu entfernen, würde an mir und meinen Kindern die strenge Verordnung ausgeführt werden. Ich richtete es hierauf als ein verständiger Mann so ein (denn wenn man auf eine gewisse Zeit das Haus verlassen muß, in welchem man lebt, so muß man sich nach einem anderen umsehen, wo man hineinziehen kann), ich richtete es also ein, daß ich allein und ohne meine Familie aus dem Dorfe ging, um einen Ort aufzusuchen, wohin ich sie nachher bequem und ohne jene Übereilung führen könne, mit welcher die übrigen ausziehen mußten; denn ich sah wohl ein, und mit mir alle alten Leute bei uns, daß diese Befehle nichtbloße Drohungen waren, wie einige glauben wollten, sondern wirkliche Gesetze, die zu ihrer bestimmten Zeit in Erfüllung gehen würden. Auch wurde ich dadurch gezwungen, dies für gewiß zu halten, daß ich die bösen und schändlichen Anschläge der Unsrigen kannte, die so beschaffen waren, daß ich es für eine göttliche Eingebung halte, was Ihre Majestät bewog, jenen kühnen Entschluß zu fassen und durchzusetzen; nicht als wären wir alle schuldig gewesen, denn es gibt unter uns einige standhafte und aufrichtige Christen; aber es sind deren so wenige, daß sie sich denen nicht widersetzen konnten, die es nicht sind, und darum war es
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