Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
nicht gut, die Schlange am Busen zu nähren, die Feinde im eigenen Hause zu haben. Kurz, wir wurden mit vollem Recht mit der Strafe der Verbannung belegt, wie einige meinen, eine leichte und gelinde Bestrafung, aber für uns die schrecklichste, womit man uns nur züchtigen konnte. Wo wir auch sind, beweinen wir Spanien, denn hier wurden wir geboren, und es ist unser wahres Vaterland; nirgends finden wir die Aufnahme, die unser Unglück verdient; und in der Berberei wie in allen Teilen von Afrika, wo wir glaubten aufgenommen, geachtet und geehrt zu werden, dort kränkt man uns und mißhandelt man uns am meisten. Wir haben das Gute nicht erkannt, bis wir es verloren haben, und bei den meisten ist das Verlangen, wieder nach Spanien zu gehen, so groß, daß viele, die so wie ich die Sprache in ihrer Gewalt haben, zurückkehren und ihre Weiber und Kinder hilflos verlassen; so groß ist ihre Sehnsucht hierher, und jetzt weiß ich es aus Erfahrung, wie wahr es ist, daß die Liebe zum Vaterlande etwas Süßes sei. Wie gesagt, ich verließ unser Dorf und ging nach Frankreich, und ob sie uns gleich da gut aufnahmen, so wollte ich doch alles sehen. Ich ging nach Italien und kam nach Deutschland, und hier schien es mir, könne man mit mehr Freiheit leben, denn die Einwohnernehmen es nicht genau; jeder lebt da, wie es ihm gut dünkt, denn an den meisten Orten kann man mit aller Gewissensfreiheit wohnen. Ich kaufte mir ein Haus in einem Flecken bei Augsburg und schloß mich an diese Pilger an, deren Gewohnheit es ist, nach Spanien zu kommen und in jedem Jahre die heiligen Orte zu besuchen, die sie für ihr Indien halten und als ihren sichersten Gewinst und ein gewisses Einkommen ansehen. Sie durchstreiften das ganze Land, und es gibt kein Dorf, welches sie nicht gespeist und getränkt verließen, wie man zu sagen pflegt, und wo sie nicht auch wenigstens einen Real an Gelde erhielten, und am Ende ihrer Wanderschaft haben sie dann wohl hundert Taler und noch mehr zusammen, die sie in Gold umwechseln, und dies entweder in der Höhlung ihrer Stäbe oder unter den Lappen ihrer Kleider verstecken oder es auf eine andere geschickte Weise aus dem Königreiche bringen, und so in ihre Heimat zurückkommen, allen Wachen zum Trotz, die an den Pässen achtgeben. Meine Absicht, Sancho, ist nun, einen Schatz auszugraben, den ich versteckt habe, was ich ohne große Gefahr tun kann, da er sich außerhalb des Dorfes befindet, darauf will ich von Valencia aus an meine Tochter und Frau schreiben, die sich in Algier befinden, oder hinüberreisen und einen Anschlag machen, wie ich sie in einen französischen Hafen schaffen kann, von wo ich sie nach Deutschland bringen will, wo wir dann abwarten wollen, was Gott weiter mit uns vornehmen wird. Denn mit einem Worte, Sancho, ich weiß gewiß, daß Ricota, meine Tochter, und Franziska Ricota, meine Frau, gute katholische Christen sind, und wenn ich es nicht ganz so bin, so bin ich doch mehr Christ als Maure und bete täglich zu Gott, daß er mir die Augen meines Verstandes öffnen möge und mir anzeigen, wie ich ihm dienen soll. Was mich aber wundert, ist, daß ich nicht einsehen kann, warum meine Frau und Tochter lieber nach der Berberei und nicht nach Frankreich gegangen sind, wo sie doch als Christen hätten leben können.«
Worauf Sancho antwortete: »Sieh, Ricote, das stand nicht in ihrer Macht, denn Juan Tiopeyo, der Bruder deiner Frau, nahm sie mit, und da er ein echter Maure ist, so nahm er das Sicherste; und ich muß dir noch etwas sagen, daß ich glaube, du wirst das umsonst suchen, was du eingegraben hast, denn wir haben erfahren, daß sie deinem Schwager und deiner Frau viele Perlen und Goldmünzen weggenommen haben, die sie hatten herausbringen wollen.«
»Das kann wohl sein«, versetzte Ricote; »ich weiß aber, Sancho, daß sie an mein Vergrabenes nicht gekommen sind, denn ich habe keinem Menschen was davon gesagt, aus Furcht, es möchte ein Unglück geschehen; wenn du nun, Sancho, mit mir kommen und mir helfen willst, es auszugraben, so will ich dir zweihundert Taler geben, die dir gut zustatten kommen werden, denn ich weiß ja wohl, daß es dir an allen Ecken fehlt.«
»Ich könnte es tun«, antwortete Sancho; »aber ich bin gar nicht geldgierig, denn sonst hätte ich wohl nicht heute früh ein Amt aus den Händen gelassen, in dem ich die Wände meines Hauses mit Gold überziehen und innerhalb sechs Monaten von lauter Silber essen konnte. Deswegen also, und auch weil ich glaube, eine
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