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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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wieder erwachen. Nach dieser Zeit aber ermunterte er sich und sagte mit lauter Stimme: »Gelobt sei der allmächtige Gott, der mir so große Wohltat erzeigt! Ja, seine Barmherzigkeit hat keine Grenzen, und die Sünden der Menschen können sie weder beschränken noch verhindern.«
    Die Nichte war auf die Worte ihres Oheims aufmerksam, und da sie ihr vernünftiger vorkamen, als er gewöhnlich, wenigstens in dieser Krankheit zu sprechen pflegte, fragte sie ihn: »Was sagt Ihr da, Señor? Gibt es etwas Neues? Was sagt Ihr da von der Barmherzigkeit oder von den Sünden der Menschen?«
    »Die Barmherzigkeit meine ich, liebe Nichte«, antwortete Don Quixote, »welche Gott mir in diesem Augenblicke erwiesen hat und welche, wie gesagt, meine Sünden nicht haben verhindern können. Mein Verstand ist frei und klar und jener dicken Nebel los, die das armselige und fortgesetzte Lesen der abscheulichen Ritterbücher auf ihn geworfen hatten. Ich sehe jetzt ihren Unsinn und ihre Verderblichkeit ein, und es kränkt mich nur, daß diese Enttäuschung so spät gekommen ist, daß mir keine Zeit übrigbleibt, es wieder gutzumachen und andere zu lesen, welche das Licht der Seele sind. Ich fühle, liebe Nichte, daß ich sterben werde, und ich wünschte, mein Tod wäre so, daß man einsähe, mein Leben sei nicht so schlimm gewesen, daß mir der Beiname eines Toren hinterbliebe; ist es aber auch der Fall gewesen, so wünsche ich doch nicht, diese Wahrheit mit meinem Tode zu bestätigen. Rufe doch, liebes Kind, meine guten Freunde, den Pfarrer, den Bakkalaureus Simson Carrasco und Meister Niklas, den Barbier, denn ich will beichten und mein Testament machen.«
    Die Nichte aber wurde dieser Mühe überhoben, indem diese drei selber eintraten. Kaum hatte sie Don Quixote gesehen, als er ihnen entgegenrief: »Freut euch mit mir, liebe Herren, denn ich bin nicht mehr Don Quixote von la Mancha, sondern Alonso Quixano, welchem sein Betragen den Zunamen des Guten erwarb. Ich bin jetzt ein Feind des Amadis von Gallia und der ganzen unzähligen Schar seiner Nachkommenschaft; jetzt sind mir alle die verderblichen Geschichten von der irrenden Ritterschaft verhaßt; ich erkenne meine Torheit und die Gefahr, in welche mich ihre Lesung gebracht hat, und verabscheue sie jetzt, da mir Gottes Barmherzigkeit meine Sinne wieder geschenkt hat.«
    Als die drei dies hörten, glaubten sie, er sei ohne Zweifel wieder von einer neuen Torheit befallen. Simson sagte zu ihm: »Jetzt, Herr Don Quixote, da wir die Nachricht haben, daß die Señora Dulcinea wirklich entzaubert ist, kommt Ihr auf so etwas, und jetzt, da wir im Begriff stehen, Schäfer zu werden und ein Leben wie die Prinzen zu führen, wollt Ihr Euch gar zu einem Einsiedler machen? Schweigt doch um Gottes willen, besinnt Euch und laßt dergleichen Grillen fahren.«
    »Diejenigen, die ich bis jetzt gehabt habe«, versetzte Don Quixote, »und die zu meinem Nachteile mir Wahrheiten schienen, wird der Tod durch Hilfe des Himmels zu meinem Besten kehren. Ich fühle, meine Herren, daß ich bald sterben muß, darum unterlaßt diese Scherze und bringt mir einen Beichtiger, vor dem ich beichten möge, und einen Notarius, damit ich mein Testament mache, denn in der Lage, in welcher ich mich befinde, muß der Mensch keinen Scherz mit seiner Seele treiben; ich bitte euch also, daß, indem der Pfarrer meine Beichte anhört, ein anderer nach einem Notarius gehe.«
    Einer sah den anderen an, über die Reden des Don Quixote verwundert, und ob sie gleich noch zweifelten, fingen sie doch an, ihm zu glauben, und eins von den Zeichen, aus welchen sie schlossen, daß er sterben würde, war, daß er sich so plötzlich aus einem Toren in einen Verständigen verwandelt hatte; denn er fügte zu den vorigen Worten noch so gut ausgedrückte, so christliche und vernünftige hinzu, daß er ihnen dadurch alle Zweifel benahm und sie ihn für verständig erklären mußten. Der Pfarrer ließ die übrigen hin ausgehen und blieb mit ihm allein, um seine Beichte zu hören. Der Bakkalaureus ging nach einem Notarius und kam bald darauf mit diesem und mit Sancho Pansa zurück, welcher Sancho (der schon vom Bakkalaureus den Zustand seines Herrn erfahren hatte), da er die Haushälterin und die Nichte weinend fand, auch anfing laut zu schluchzen und Tränen zu vergießen. Die Beichte war geendigt, und der Pfarrer kam heraus und sagte: »Er stirbt in Wahrheit, und in Wahrheit ist Alonso Quixano der Gute vernünftig; jetzt können wir alle

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