Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
hineingehen, damit er sein Testament mache.«
Diese Nachricht gab den gefüllten Augen der Haushälterin, der Nichte und des Sancho Pansa, seines braven Stallmeisters, einen so gewaltigen Stoß, daß die Tränen aus den Augen sprangen und tausend tiefe Seufzer aus der Brust, denn in der Tat, wie schon einmal bemerkt ist, als Don Quixote Alonso Quixano der Gute schlechtweg hieß, und auch als er Don Quixote von la Mancha war, war er immer von sanfter Gemütsart und liebenswürdigem Umgange, weshalb er nicht nur in seinem Hause, sondern auch von allen seinen Bekannten geliebt wurde.
Der Notarius kam mit den übrigen herein, und nachdem Don Quixote den Eingang zu seinem Testamente gemacht und seine Seele Gott empfohlen hatte, nebst allen christlichen Einleitungen, welche nötig sind, kam er auf die Vermächtnisse und fuhr fort:
»Item, so ist es mein Wille, daß eine Summe Geldes, welches Sancho Pansa (den ich in meiner Torheit zu meinem Stallmeister machte), besitzt, wegen deren zwischen mir und ihm verschiedene Berechnungen schweben, nicht von ihm wieder gefordert werden soll, noch er darüber Rechnung abzulegen braucht, sondern, wenn etwas bleibt, nachdem er abgezogen, was ich ihm schuldig bin, das übrige, welches nicht viel sein kann, ihm gehören soll und ihm viel Segen bringen mag. Und da ich ihm in meiner Torheit die Statthalterschaft einer Insel zu geben wünschte, so möchte ich ihm jetzt, da ich bei Verstande bin, ein Königreich geben, wenn ich es hätte, denn sein aufrichtiges Gemüt und seine Treue haben es verdient.«
Er wendete sich hierauf zu Sancho und sagte zu ihm: »Vergib mir, Freund, daß ich dir Gelegenheit gegeben habe, ebenso töricht zu erscheinen als ich, daß ich dich in den Irrtum gestürzt, in welchem ich selber lebte, daß jemals in der Welt irrende Ritter gewesen.«
»Ach!« antwortete Sancho weinend, »sterbt nur nicht, gnädiger Herr, sondern nehmt meinen Rat an und lebt noch viele Jahre, denn die größte Torheit, die ein Mensch in diesem Leben begehen kann, ist, daß er mir nichts dir nichts stirbt, ohne daß ihn einer umbringt oder eine andere Hand als die der Melancholie sein Ende herbeiführt. Seid doch nicht so lässig, sondern steht aus dem Bette auf und wir wollen uns auf das Feld begeben, als Schäfer angezogen, wie wir verabredet hatten, vielleicht finden wir hinter einer Hecke die Señora Doña Dulcinea, wie wir’s nicht besser wünschen können. Wollt Ihr aber aus Verdruß darüber sterben, daß Ihr überwunden seid, so schiebt nur die Schuld auf mich und sagt, der Rosinante wäre gestürzt, weil ich ihn so schlecht gesattelt hätte; Ihr werdet ja auch außerdem wohl in den Ritterbüchern gelesen haben, daß es etwas Gewöhnliches ist, daß ein Ritter den anderen aus dem Sattel hebt, und daß, wer heute besiegt wird, morgen der Sieger ist.«
»So ist es«, sagte Simson, »und der wackere Sancho Pansa sieht die Sache von der rechten Seite an.«
»Meine Freunde«, sagte Don Quixote, »wir wollen dieses unterlassen, denn in den Nestern vom vorigen Jahr wird man im jetzigen keine Vögel gewahr, ich war ein Tor und bin jetzt vernünftig, ich war Don Quixote von la Mancha und bin jetzt, wie schon gesagt, Alonso Quixano der Gute, und ich wünsche nur, daß meine aufrichtige Reue mich in eurer Achtung wiederherstellen möge, und so möge der Herr Notarius denn fortfahren.
Item, so vermache ich alle meine Habe meiner Nichte Antonia Quixana, welche hier gegenwärtig ist, nachdem sie vorher die Vermächtnisse ausgezahlt und richtig gemacht hat, welche ich noch angeben werde, wovon das erste ist, daß sie der Haushälterin den Lohn, den ich ihr schuldig bin, seit sie mir gedient hat, ganz auszahle, und noch zwanzig Dukaten darüber zu einem Kleide. Zu Testamentsvollstreckern ernenne ich den Herrn Pfarrer und den Herrn Bakkalaureus Simson Carrasco, welche gegenwärtig sind.
Item, so ist mein Wille, daß, wenn sich Antonia Quixana zu verheiraten gedenkt, sie sich mit einem Manne verheirate, über den man erst vorher Nachricht einziehen soll, ob er auch nicht weiß, was Ritterbücher sind, und im Falle er es weiß und meine Nichte ihn doch heiraten will, soll sie meiner ganzen Erbschaft verlustig gehen, welche meine Testamentsvollstrecker alsdann nach ihrem Willen zu frommen Werken verwenden können.
Item, so bitte ich diese genannten Herren, meine Testamentsvollstrecker, daß, wenn sie zufälligerweise den Autor kennenlernen, welcher eine Geschichte verfaßt haben soll, die
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