Don Quixote
mir von allen den Leuten, die ich zur Begleitung aus meinem Königreiche mit mir nahm, nur dieser großbärtige Stallmeister übriggeblieben ist; denn alle übrigen ertranken in einem heftigen Sturme, der uns im Angesichte des Hafens ergriff; er und ich aber kamen auf zwei Brettern, wie durch ein Wunderwerk, ans Land, wie denn mein ganzes Leben wunder- und geheimnisvoll ist, wie Ihr auch werdet bemerkt haben. Bin ich nun irgendworin zu umständlich oder auch nicht ausführlich genug gewesen, so meßt nur dem die Schuld bei, wovon der Herr Lizentiat gleich im Anfange meiner Erzählung sprach, daß nämlich immerwährende und ungeheuere Leiden dem leicht das Gedächtnis rauben, der ihnen unterliegt.«
»Mir soll dieses nicht geraubt werden, o erhabene und see lenstarke Dame!« rief Don Quixote, »so viele, so große und unerhörte ich auch in Eurem Dienste erdulden mag; und so bestätige ich also von neuem die Gabe, die Euch versprochen wurde, und schwöre Euch, bis an das Ende der Welt zu gehen, um Euren so stolzen Feind zu erblicken, dem ich durch Hülfe Gottes und meines Armes das übermütige Haupt herunterschlagen will, mit der Schneide dieses, ich mag nicht sagen guten, Schwertes. Dank sei's dem Gines von Pasamonte, der mir das meinige entführte!« Dies sagte er zwischen den Zähnen und fuhr dann so fort : »Hab ich es heruntergeschlagen und Euch in den ruhigen Besitz dieses Landes gesetzt, so wird es auf Eurem Willen beruhen, mit Eurer Person zu tun, was Euch am besten gefällt; denn während alle meine Gedanken eingenommen und mein Wille gefesselt, mein Verstand dahin für jene – – – Ich breche hier ab; aber unmöglich ist es mir, auch nur mit einem einzigen Gedanken an eine Vermählung zu denken, und wenn es selbst mit dem Vogel Phoenix wäre.«
Dem Sancho gefielen die letzten Worte seines Herrn, daß er sich nicht verheiraten wolle, so wenig, daß er im größten Zorn mit lauter Stimme rief : »Nun, bei meiner Seelen Seligkeit, Euer Gnaden, mein Herr Don Quixote hat nicht so viel Verstand wie ein Pferd! Hat man so was gesehen? Ist es möglich, daß Ihr Euch nur noch darüber besinnen könnt, Euch mit solcher erhabenen Prinzessin zu vermählen? Meint Ihr denn, das Schicksal wird Euch solches Glück hinter jedem Zaune finden lassen, wie Euch hier von selbst in die Hände läuft? Ist denn die Dame Dulcinea etwa schöner? Ja, hat sich was! Weit davon! Weit davon! Ja, wahrhaftig, sie verdient nicht einmal, der da die Schuhriemen aufzulösen! Da werd ich wohl meine Grafschaft am Jüngsten Tage erhalten, wenn Ihr immer Bratwürste aus dem Wasser angeln wollt! Heiratet, heiratet sie doch in's Teufels Namen, nehmt das Königreich, das Euch so gebraten in den Mund fliegt, und wenn Ihr nun König seid, so macht mich zum Markgrafen oder Feldmarschall, und alles andere mag dann der Teufel holen!«
Don Quixote, der dergleichen Lästerungen gegen seine Dame Dulcinea ausstoßen hörte, konnte dieses nicht ertragen, sondern erhob den Lanzenstab, und ohne dem Sancho ein Wort zu sagen oder nur zu rufen: vorgesehn!, gab er ihm zwei so starke Schläge, daß dieser sich zur Erde begab, und er würde ihn heut auch ohne Zweifel umgebracht haben, wenn ihm nicht Dorothea gute Worte gegeben und zugerufen hätte, ihm nicht mehr zu geben. »Denkst du«, rief er endlich aus, »du gemeiner Schlingel, daß dergleichen immerwährend statthaben soll und daß ich immer die Hände in den Schoß lege? Daß es immer deine Rolle sein soll, mich zu beleidigen, wie die meinige, dir zu verzeihen? Sei ja von diesem Gedanken fern, verfluchter heidnischer Halunke: denn der bist du wahrhaftiglich, da du mit deiner Zunge die unvergleichliche Dulcinea verwundest; weißt du denn nicht, Hundsfott, Schuft, Spitzbube, daß, wenn sie meinem Arme nicht Stärke liehe, seine Kraft niemals hinreichte, einen Floh zu erschlagen? Sprich, du natternzungiger Flegel, wer hat denn dieses Königreich gewonnen, diesem Riesen das Haupt abgeschlagen, dich zum Marques eingesetzt – denn in meinem Sinne ist alles dieses schon getan, weil es bei mir heißt, ein Wort, ein Mann –, wenn es nicht die Kraft der Dulcinea war, die meinen Arm zum Werkzeuge ihrer Taten macht? Sie kämpft in mir, sie siegt in mir, in ihr nur atme ich, mein Leben und Weben steht in ihr! Und du, schrecklicher Hurensohn, o wie bist du von aller Dankbarkeit so entblößt, daß du ihr mit Schmähungen lohnst, ihr, die dich aus dem Staube erhoben und dich zum Herrn und Gebieter gemacht?«
Sancho
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