Don Quixote
und von Dienern begleitet wird, daß wir gleichsam mit Gewalt dazu gezwungen werden, ihr unsere Ehrfurcht zu bezeigen, wenn uns auch unser Gedächtnis in demselben Augenblick eine Niedrigkeit vorstellt, die wir ehemals an dieser Person wahrgenommen hatten; welche nachteilige Vorstellung, sei es nun Armut oder schlechte Herkunft, als etwas Vergangenes durchaus nicht haftet, sondern bloß das, was wir gegenwärtig vor uns sehen. Wenn der also, den das Glück aus schlecht geschriebenem Konzept« – gerade diese Ausdrücke brauchte der Pater – »auf die Höhe des Wohlstandes gestellt hat, nun wohlgezogen, freimütig und höflich gegen alle ist, ohne sich denen gleichzustellen, die durch das Altertum edel sind, so sei überzeugt, Theresa, daß sich kein einziger dessen erinnern wird, was er war, sondern alle das verehren werden, was er ist, außer die Neidischen, vor denen kein noch so günstiges Glück sicher ist.«
»Ich verstehe dich nicht, Mann«, versetzte Theresa, »tu, was du willst, und zerbrich mir nicht den Kopf mit deinen oratorischen Rhetarien; und wenn du nun auf der Revolution bleibst, zu tun, wie du sagst – – –«
»Resolution mußt du sagen, Frau, nicht Revolution«, rief Sancho.
»Disputiere nur nicht mit mir, Mann«, antwortete Theresa; »ich rede so, wie es Gott gefällt, und alles andere geht mich nichts an; ich sage nur, wenn du darauf bestehst, die Statthalterei zu kriegen, so solltest du deinen Sohn Sancho mit dir nehmen, damit er gleich von dir das Statthaltern lernen könnte; denn es ist immer gut, daß die Kinder das Handwerk ihrer Väter lernen und forttreiben.«
»Wenn ich die Statthalterei habe«, sagte Sancho, »so will ich ihn mir mit der Post schicken lassen und dir Geld schicken, was mir dann nicht fehlen kann; denn Statthalter kriegen sehr leicht was geliehen, wenn sie nichts haben. Dann kleide ihn aber so, daß er nicht das scheint, was er ist, sondern was er in Zukunft sein soll.«
»Schicke du nur Geld«, sagte Theresa, »und ich will ihn auskleiden, daß er aussehen soll wie ein Rosenstrauch.«
»Und darüber sind wir nun einig«, sagte Sancho, »daß unsere Tochter eine Gräfin werden soll?«
»Den Tag, da ich sie als Gräfin sehe«, antwortete Theresa, »rechne ich darauf, sie zu begraben. Ich sage dir aber noch einmal, daß du tun magst, wozu du Lust hast; denn mit der Bürde kommen die Weiber auf die Welt, daß sie ihren Männern gehorchen müssen, und wenn es auch wahre Lümmel sind.« Und hiermit fing sie so heftig an zu weinen, als wenn sie Sanchica schon tot und begraben gesehen hätte.
Sancho tröstete sie mit der Versicherung, daß, wenn er sie auch zur Gräfin machen müsse, er es doch so spät als nur irgend möglich tun wolle. Hiermit endigte sich das Gespräch, und Sancho ging fort, um Don Quixote zu besuchen und dessen Befehle wegen der Abreise zu vernehmen.
6. KAPITEL
Was dem Don Quixote mit seiner Nichte und seiner Haushälterin begegnete, welches eins von den wichtigsten
Kapiteln in dieser ganzen Historie ist
Indes Sancho Pansa und seine Frau Theresa Cascajo dieses ungehörige Gespräch führten, waren die Nichte und Haushälterin Don Quixotes auch nicht müßig, die es aus tausend Zeichen abnahmen, daß ihr Oheim und Herr sich zum dritten Male auf und davon machen wolle, um seine, wie es ihnen schien, verwünschte Ritterschaft vorzunehmen. Sie versuchten es auf alle mögliche Weise, ihn von diesem übeln Gedanken abzubringen, aber alles hieß nur in die Wüste predigen und kaltes Eisen hämmern. Unter vielen anderen Reden, die gegen ihn gebraucht wurden, sagte die Haushälterin: »Wahrhaftig, mein Herr, wenn Ihr Euch durchaus nicht auf einen vernünftigen Fuß setzen und in Eurem Hause bleiben wollt und wieder über die Berge und durch die Täler ziehen müßt, wie eine büßende Seele, um das aufzusuchen, was Ihr Abenteuer nennt, was ich aber Jammerleben nenne, so will ich mich mit Heulen und Schreien an Gott und den König wenden, daß sie dem Dinge einen Riegel vorschieben.«
Worauf Don Quixote zur Antwort gab: »Haushälterin, was Gott auf deine Klagen antworten würde, weiß ich nicht, ebensowenig, was Seine Majestät sagen könnte; ich weiß nur das: daß, wenn ich König wäre, ich mich entübrigt finden würde, auf die unzählige Menge der unsinnigen Bittschriften eine Antwort zu geben, die täglich einlaufen. Denn eins der größten Leiden der Könige ist unter vielen anderen wohl das: daß sie gezwungen sind, alle anzuhören und
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