Don Quixote
alle sind höflich und wohlerzogen, es gibt auch Schälke und Unartige unter ihnen. Auch sind nicht alle, die sich Ritter nennen, es durch und durch; denn einige sind von Gold, andere nur von Komposition, und doch scheinen alle Ritter, aber nicht alle bestehen so auf dem Prüfsteine der Wahrheit. Es gibt gemeine Menschen, die sich zersprengen, um als Ritter zu erscheinen, und wieder vornehme Ritter, die recht eigen ihr Leben daranzusetzen scheinen, um sich nur als gemeine Menschen darzustellen. Jene erheben sich, entweder durch Ehrgeiz oder durch ihre Tugend; diese erniedrigen sich, entweder durch die Feigheit oder durch das Laster, und es ist daher eine verständige Prüfung notwendig, um diese beiden Arten von Rittern zu unterscheiden, die in dem Namen so gleich und in ihren Handlungen so durchaus verschieden sind.«
»Beim Himmel!« sagte die Nichte, »was wißt Ihr doch alles für Dinge, Herr Oheim; wenn es einmal die Not erforderte, so könntet Ihr wohl gar auf die Kanzel steigen und hier in allen Gassen predigen; und bei alledem lebt Ihr doch in einer so großen Verblendung und in einer so sichtlichen Einfalt ; denn Ihr bildet Euch ein, Ihr seid kräftig, und seid doch alt ; Ihr denkt, Ihr habt Gewalt, und seid schwach; Ihr wollt Ungeradheiten gerademachen und geht vor Alter selber krumm; und vor allen Dingen, Ihr meint Ritter zu sein, da Ihr es doch nicht seid; denn obwohl alle Edeln es sein können, so ist es doch den Armen unmöglich.«
»Du hast in dem, was du sagst, Nichte, nicht so ganz unrecht«, antwortete Don Quixote, »und ich könnte dir in Ansehung der Herkunft Dinge sagen, die dich verwundern würden; aber ich schweige lieber, um nicht das Göttliche mit dem Menschlichen zu vermischen. Seht, Kinder, auf viererlei Arten der Abkunft – seid aber hübsch aufmerksam – lassen sich alle Familien in der Welt zurückbringen, und zwar auf folgende: Einige haben einen niedrigen Ursprung, sie erheben sich und breiten sich immer weiter aus, bis sie die ausgedehnteste Größe erreicht haben; andere, die einen vornehmen Ursprung genommen und ihn erhalten haben und ihn noch so erhalten und durchführen, wie sie ihn anfangs überkommen; andere, die zwar vornehm entsprungen sind, sich aber in einen Punkt verlieren, wie die Pyramide, die auch nach und nach von ihrem Ursprunge abnimmt und sich in ein Nichts endigt, wie es die Spitze der Pyramide ist, die in Rücksicht auf ihre Basis oder Grundlage für ein Nichts zu rechnen ist; andere gibt es noch, und zwar die meisten, die weder einen edlen Ursprung genommen noch sich jemals erhoben haben und so auch ohne allen Namen bleiben, wie es mit allen gemeinen und gewöhnlichen Leuten geschieht. Von den ersten, die einen niedrigen Ursprung hatten und sich zur Größe emporschwangen, in der sie noch glänzen, gibt uns das Ottomanische Haus ein Beispiel, das von einem gemeinen und niedrigen Hirten, der ihm seinen Ursprung gab, auf den Gipfel gelangt ist, auf dem wir es jetzt sehen. Von der zweiten Klasse, die aus einem hohen Ursprunge ist und sich so erhalten hat, ohne sich weiter auszubreiten, sind viele Fürsten ein Beispiel, die es durch die Geschlechtsfolge sind und sich so erhalten, ohne sich auszubreiten oder abzunehmen, indem sie sich friedlich in den Schranken ihrer Größe erhalten. Von denen, die groß anfingen und sich in einem Punkte verloren, gibt es tausend Beispiele; denn alle Pharaonen und Ptolemäer in Ägypten, die Cäsaren in Rom, nebst der ganzen Schar – wenn man sie so nennen will – der unzähligen Fürsten, Monarchen, Herren, Meder, Assyrer, Perser, Griechen und Barbaren, alle diese Familien und Herrschaften haben sich in einen Punkt und in ein Nichts verloren, sie sowohl als diejenigen, die ihnen den Ursprung gaben; denn es wäre jetzt wohl nicht möglich, einen von ihren Nachkömmlingen aufzufinden, oder wenn wir es könnten, so würden wir ihn in einem gemeinen und niedrigen Stande antreffen. Vom Volke brauche ich nicht weiter zu sprechen; denn es dient nur, die Zahl der Lebendigen zu vermehren, ohne einen Ruhm oder ein Lob wegen seiner Herrlichkeit zu verdienen. Aus dem bisher Gesagten sollt ihr, Maulaffen, abnehmen, daß unter den Familien und ihrer Abkunft große Verwirrung herrscht und daß nur diejenigen als groß und herrlich erscheinen, die es durch ihre Tugend, ihren Reichtum und ihre Freigebigkeit beweisen. Ich sage: durch ihre Tugenden, Reichtümer und Freigebigkeit ; denn der Große, der lasterhaft ist, ist nur ein großer
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