Don Quixote
meinem Gewissen, wenn meine Statthalterschaft dauert – die nicht dauern wird, soviel ich einsehe –, so will ich mehr als einen solchen Geschäftigen zur Ordnung verweisen. Jetzt sagt dem lieben Manne nur, daß er hereinkomme; aber seht auch zu, ob es nicht ein Spion oder einer von meinen Mördern ist.«
»Nein, gnädiger Herr«, antwortete der Page, »er scheint ein Einfaltspinsel zu sein, und ich müßte mich sehr irren, oder er ist so unschuldig wie ein Lamm.«
»Es ist nichts zu befürchten«, sagte der Haushofmeister, »denn wir sind hier alle zugegen.«
»Wäre es nicht möglich«, sagte Sancho, »Speisemeister, daß ich jetzt, da der Doktor Pedro Recio nicht zugegen ist, etwas Tüchtiges und Gewichtiges essen könnte, wenn es auch nur ein Stück Brot und eine Zwiebel wäre?«
»Heute abend soll die Mahlzeit das Mangelnde des Mittagsessens ersetzen, und Euer Gnaden soll zufriedengestellt und vergnügt sein«, sagte der Speisemeister.
»Das gebe Gott«, antwortete Sancho. Und zugleich trat der Bauer herein, der ein gutes Äußere hatte und dem man es auf tausend Meilen ansehen konnte, daß er es gut meine und eine gute Haut sei. Das erste, was er sagte, war: »Wer ist hier der Herr Statthalter?«
»Wer wird es sein«, antwortete der Sekretär, »als der dort auf dem Stuhle sitzt?«
»So demütige ich mich vor ihm«, sagte der Bauer, wobei er sich auf die Knie legte und um die Hand bat, um sie zu küssen. Sancho verweigerte sie und befahl ihm, aufzustehen und das zu sagen, was er zu sagen habe. Der Bauer tat es und sprach zugleich: »Ich, gnädiger Herr, bin ein Bauer, aus Miguel Turra gebürtig, einem Orte, der zwei Meilen von Ciudad Real liegt.«
»Haben wir wieder ein neues Tirteafuera?« sagte Sancho; »sprecht, Freund, denn ich kann Euch sagen, daß ich sehr gut weiß, wo Miguel Turra liegt, denn es ist nicht sehr weit von meinem Dorfe.«
»Die Sache ist nun, gnädiger Herr«, fuhr der Bauer fort, »daß ich durch die Barmherzigkeit Gottes verheiratet bin, auf dem Wege und durch den Segen der heiligen katholischen Kirche; ich habe zwei studierte Söhne, der jüngste studiert auf den Baccalaureus und der älteste auf den Lizentiaten; ich bin Witwer, denn meine Frau ist gestorben, oder richtiger, ein schlechter Doktor hat sie umgebracht, denn er ließ sie purgieren, als sie schwanger war, und wenn uns Gott so gnädig gewesen wäre, daß die Geburt das Licht der Welt erblickt hätte und ein Sohn gewesen wäre, so hätte ich ihn auf den Doktor studieren lassen, damit er seine Brüder, den Baccalaureus und den Lizentiaten, nicht beneidet hätte.«
»Also«, sagte Sancho, »wenn Eure Frau nicht gestorben wäre oder andere sie nicht hätten sterben lassen, so würdet Ihr jetzt kein Witwer sein.«
»Nein, gnädiger Herr, auf keine Weise«, antwortete der Bauer.
»So sind wir schon weiter«, versetzte Sancho; »nun fort, guter Freund, denn es ist eher Zeit zum Schlafen als zum Verhandeln.«
»Ich sage also«, sagte der Bauer, »daß dieser mein Sohn, der Baccalaureus werden soll, sich in unserm Dorfe in ein Mädchen verliebte, mit Namen Clara Perlerina, die Tochter des Andres Perlerino, eines sehr reichen Bauern; und diesen Namen Perleriner führen sie nicht etwa von ihrer Familie, sondern weil sie alle paralytisch sind oder gichtisch, und um diesen Namen zu verbessern, heißen sie sich Perleriner, obgleich, die Wahrheit zu sagen, das Mädchen wie eine orientalische Perle ist, und von der rechten Seite angesehen, sieht sie aus wie eine Blume des Feldes, von der linken nicht ganz so, denn auf dieser fehlt ihr ein Auge, das sie in den Pocken verloren hat ; und ob sie gleich im Gesichte viele und große Narben trägt, so sagen doch die, die ihr gut sind, es wären keine Narben, sondern Gräber, in welchen die Seelen ihrer Liebhaber begraben liegen. Sie ist so reinlich, daß, um das Gesicht nicht zu beschmutzen, sie die Nase in die Höhe gekrämpt trägt, so daß es läßt, als wenn sie vor dem Munde die Flucht nähme, doch sieht sie bei alledem sehr schön aus, denn sie hat einen großen Mund, und wenn ihr in diesem nicht zehn oder zwölf Zähne fehlten, so könnten diese es in der reizenden Bildung mit den vollkommensten aufnehmen. Von den Lippen ist nichts zu sagen, denn sie sind so fein und zart, daß, wenn es nur gebräuchlich wäre, Lippen zu flechten, man aus diesen einen schönen Zopf drehen könnte; da sie aber noch eine andere Farbe haben, als bei den Lippen meistens gebräuchlich ist, so sind
Weitere Kostenlose Bücher