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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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»Diese soll der Herr Statthalter nicht essen, solange ich das Leben behalte.«
    »Aber warum nicht?« fragte Sancho.
    Und der Arzt antwortete: »Weil unser Meister Hippokrates, der Polarstern und das Licht der ganzen Arzneikunst, in einem von seinen Aphorismen sagt : ›Omnis saturatio mala, perdicis autem pessima‹, welches heißt : ›Alle Übersättigung ist schädlich, die aber von Rebhühnern die schädlichste.‹«
    »Wenn dem so ist«, sagte Sancho, »so suche mir der Herr Doktor unter diesen Gerichten selber aus, was mir zuträglich und am wenigsten nachteilig ist, und lasse mich dies essen, ohne darauf zu klopfen: denn beim Leben des Statthalters, und so gewiß das Gott erhalten soll, ich sterbe vor Hunger, und mir das Essen verweigern, der Herr Doktor mag auch sagen und behaupten, was er will, hieße mir eher das Leben nehmen, als es mir erhalten.«
    »Der gnädige Herr Statthalter hat recht«, antwortete der Arzt, »und daher bin ich auch der Meinung, daß Ihr nicht von den gebratenen Kaninchen essen dürft, die dort stehen, denn es ist Speise von einem langhaarigen Tier; von jenem Kalbfleische könntet Ihr wohl versuchen, wenn es nicht gebraten und gesäuert wäre, aber so auf keine Weise.«
    Und Sancho sagte: »Jene große Schüssel, die dort unten dampft, scheint eine Olla potrida zu sein, und da diese Ollas potridas aus sehr mannigfaltigen Dingen zusammengesetzt sind, so werde ich gewiß etwas darunter finden, das mir schmackhaft und zuträglich sei.«
    »Absit!« sagte der Arzt, »entferne sich von uns ein dergleichen böser Gedanke; es gibt in der Welt nichts so Unverdauliches als eine Olla potrida; fort mit allen Olla potridas zu den Canonicis oder den Schulrektoren oder zu Bauerhochzeiten, aber die Tische der Statthalter seien davon rein gehalten, denn hier müssen sich nur die frischesten und allereinfachsten Dinge befinden; die Ursache davon ist, weil von je an und zu allen Zeiten und von allen Leuten die einfachen Arzneimittel mehr geschätzt sind als die zusammengesetzten, denn bei den einfachen kann man nicht irren, wohl aber bei den zusammengesetzten, da die Quantität der Sachen, aus denen sie zusammengesetzt werden, leicht die Wirkung ändert; wovon ich aber gewiß weiß, daß es der Herr Statthalter jetzt essen darf, und was ihm gesund sein und ihn stärken wird, sind ein paar von diesen Geduldskügelchen und etliche ganz feine Schnittchen Quitte, denn dies bekömmt dem Magen und hilft zur Verdauung.«
    Als Sancho dies hörte, lehnte er sich über den Rücken seines Stuhls, sah diesen Arzt von oben bis unten an und fragte ihn mit ernsthafter Stimme, wie er heiße und wo er studiert habe.
    Worauf jener antwortete: »Ich, Herr Statthalter, heiße der Doktor Pedro Recio de Agüero und bin in einem Orte geboren, der Tirteafuera heißt, er liegt zwischen Caraquel und Almodobar del Campo zur rechten Hand, und den Doktorgrad habe ich auf der Universität Ossuna empfangen.«
    Worauf Sancho antwortete, ganz in Zorn entbrannt : »Nun denn, Herr Doktor Recio Pedro von Ach und Weh! gebürtig aus Tirteafuera, einem Orte, der zur rechten Hand liegenbleibt, wenn man von Caraquel nach Almodobar del Campo geht, graduiert zu Ossuna, geht mir augenblicklich aus den Augen, oder, ich schwör's Euch zu, ich nehme einen Strick und erdroßle, indem ich mit Euch den Anfang mache, alle Ärzte auf der ganzen Insel, wenigstens die, die ich für unwissend halte: denn den gelehrten, verständigen und klugen Ärzten bin ich mit ganzer Seele ergeben und verehre sie wie göttliche Personen; und ich sage noch einmal, daß sich Pedro Recio hier fortmache, wenn ich nicht den Stuhl nehmen soll, auf dem ich sitze, und ihm damit den Kopf entzweischmeißen; und man mag mir darüber nur Rechenschaft abfordern, denn ich werde mich damit verantworten, daß es ein Gottesdienst ist, einen elenden Arzt totzuschlagen, der nur ein Henkersknecht der Menschen ist. Und gebt mir jetzt zu essen oder nehmt die Statthalterschaft wieder hin, denn ein Amt, das seinem Herrn nicht zu essen gibt, ist keine Bohne wert.«
    Der Doktor erschrak, als er den Statthalter so zornig sah; er drehte sich, um schnell den Saal zu verlassen, wenn man nicht in demselben Augenblicke ein Posthorn auf der Straße gehört hätte; der Speisemeister lief ans Fenster und sagte hierauf : »Es kommt ein Kurier vom durchlauchtigen Herzoge, er muß eine wichtige Depesche mit sich bringen.« Der Kurier kam schwitzend und keuchend herein und zog einen Brief aus dem Busen,

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