Don Quixote
sich wieder legen wird, allein lassen und uns zu Don Quixote wenden, den wir verließen mit verbundenem Gesicht und an seinen Katzenwunden heilend, von denen er in acht Tagen nicht wiederhergestellt wurde; an einem Tage begegnete ihm das, was Cide Hamete mit aller Genauigkeit und Wahrheit zu erzählen verspricht, mit denen er alle Dinge in dieser Historie zu erzählen pflegt, wenn sie auch noch so unbedeutend sein sollten.
15. [48.] KAPITEL
Was dem Don Quixote mit der Doña Rodriguez, der
Dueña der Herzogin, begegnete, nebst andern Vorfällen,
die einer Beschreibung und eines ewigen Gedächtnisses
würdig sind
Außerordentlich verdrüßlich und melancholisch war der schlimm verwundete Don Quixote, das Gesicht verbunden und gezeichnet, nicht von der Hand Gottes, sondern von den Klauen einer Katze: Unfälle, die mit der irrenden Ritterschaft verbunden sind. Sechs Tage brachte er hin, ohne öffentlich zu erscheinen, und in einer der vorherigen Nächte, als er wachend und schlaflos lag, an sein Unglück und an die Verfolgung der Altisidora denkend, hörte er, daß man mit einem Schlüssel die Türe seines Zimmers öffnete, und sogleich bildete er sich ein, daß die verliebte Jungfrau komme, um seine Keuschheit zu bestürmen und die Treue wankend zu machen, die er seiner Doña Dulcinea von Toboso aufbewahren müsse. »Nein«, sagte er, indem er seine Einbildung für Gewißheit nahm – und zwar so laut, daß man es hören konnte –, »nein, die größte Schönheit auf der Welt soll nicht imstande sein, mich von der Verehrung derjenigen abzuziehen, die eingegraben und geprägt in der Mitte meines Herzens und im Innersten meiner Eingeweide dasteht ; Ihr mögt nun, meine Gebieterin, in eine zwiebelduftende Bäuerin verwandelt sein oder in eine Nymphe des goldführenden Tajo, die Gewebe webt, aus Gold und Seide zusammengesetzt, dich mag nun Merlin oder Montesinos bewahren, wo sie nur wollen, denn wo du auch bist, bist du die Meinige, und wo ich auch sei, war und werde ich immer der Deinige bleiben.«
Das Endigen dieser Worte und das Aufmachen der Tür geschah in einem und demselben Augenblicke. Er stellte sich auf dem Bette hin, vom Kopf bis zu den Füßen in eine gelbe atlassene Decke gewickelt, eine spitze Mütze auf dem Kopfe und Gesicht und Knebelbart in Banden: das Gesicht wegen der Furchen, den Knebelbart, damit er nicht schlaff würde und niederfiele; in dieser Tracht sah er dem seltsamsten Gespenste ähnlich, das man sich nur vorstellen kann. Er heftete die Augen auf die Tür, und als er meinte, daß nun die besiegte und betrübte Altisidora hereintreten würde, sah er eine ehrwürdige Dueña hereinkommen, mit weißen, gefalteten und so langen Schleiern, daß sie von diesen vom Kopf bis zu den Füßen bedeckt und eingewickelt wurde. Zwischen den Fingern der linken Hand hielt sie ein Stück brennendes Wachslicht, und mit der rechten machte sie sich Schatten, damit ihr das Licht nicht in die Augen schiene, die sie mit einer großen Brille bedeckt hatte; sie kam mit langsamen Schritten und setzte die Füße nur leise auf. Don Quixote beschaute sie von seiner Warte herab, und als er ihr leises Wesen sah und ihr Stillschweigen wahrnahm, glaubte er, es sei eine Hexe oder Magierin, die in dieser Tracht komme, irgendein böses Werk zu beginnen, deshalb fing er an, in großer Hast den Segen über sich zu sprechen. Die Erscheinung war näher ge kommen, und als sie in die Mitte des Zimmers angelangt war, erhob sie die Augen und sah die Hast, mit welcher Don Quixote die Kreuze schlug; und war er in Angst, als er ihre Gestalt erblickte, so war sie voll Entsetzens, als sie die seinige wahrnahm, denn sowie sie ihn sah, so hoch und so gelb, mit der Decke, mit der Bandage, die ihn so sehr entstellte, schrie sie laut auf und rief : »Jesus! was seh ich da?« und über diesem Schrecken fiel ihr das Licht aus der Hand, und da sie sich im Finstern sah, kehrte sie wieder um, um fortzugehen, stolperte aus Angst über ihre Schleppen und fiel mit einem schweren Fall zu Boden.
Don Quixote, in Angst, fing an zu sprechen: »Ich beschwöre dich, Gespenst, oder was du sein magst, daß du mir sagst, wer du bist, und daß du mir sagst, was du von mir verlangst. Bist du eine gequälte Seele, so sag es mir, und ich will alles für dich tun, was in meinen Kräften steht, denn ich bin ein katholischer Christ und ein Mann, der gern der ganzen Welt Gutes tut, denn deshalb habe ich den Orden der irrenden Ritterschaft erwählt, zu welchem ich mich
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