Donaugrund (German Edition)
breiter als in Regensburg war.
Neben einer kleinen Bank, von der aus man im Sommer den Blick auf die Fluten sicher genießen konnte, waren zwei uniformierte Beamte damit beschäftigt, die Aussage eines älteren Herrn mit Hut aufzunehmen, der von einer wie besessen an der Leine zerrenden Promenadenmischung abgelenkt wurde. »Jetzt gib endlich Ruhe, sonst frieren wir hier noch genauso fest wie die Leich«, schimpfte der Mann und versuchte verzweifelt, seinen Hund zu bändigen. Wahrscheinlich war es nicht nur die gefundene Leiche, sondern auch der schneidende Wind, der den Hund so in Rage brachte. Ich hätte in jedem Fall auch gern leidend gekläfft.
Der Rest der Kollegen hatte sich auf einer flach in die Donau abfallenden Rampe versammelt, die bei geeigneteren Temperaturen wohl dazu genutzt wurde, Boote zu Wasser zu lassen – wenigstens vermutete ich das angesichts des neben der Schneise stehenden Pollers, an dem Taue befestigt werden konnten.
Einer der Uniformierten sah uns entgegen, beugte sich kopfschüttelnd zu dem neben ihm stehenden Kollegen und kam schließlich schwer atmend auf uns zu. »Hier gibt’s nichts zu sehen«, sagte er unwirsch, kaum dass wir die Absperrung erreicht hatten, und wedelte mit der Hand, bevor er seine Polizeimütze mit einer vermeintlich autoritären Geste gerade rückte und schnaufend vor uns stehen blieb.
»Die Einsatzzentrale sieht das offenbar anders«, antwortete Raphael und zückte seinen Dienstausweis. »Kripo Regensburg, Raphael Jordan, und das ist meine Kollegin Sarah Sonnenberg. Und Sie sind …?«
»Sie sind von der Kripo?«, erwiderte der Kollege und quittierte Raphaels verwegenen Drei-Tage-Bart ebenso wie meine – für eine seriöse Beamtin anscheinend unpassende – Bommelmütze mit einem missbilligenden Blick. Für einen Augenblick überlegte ich tatsächlich, ob ich sie abnehmen sollte, aber der eher unsystematisch wirkende fransige Kurzhaarschnitt darunter hätte ihn garantiert nicht versöhnlicher gestimmt.
Statt einer Antwort sah Raphael nur mit reichlich arroganter Miene auf den liebreizenden Kollegen herab und schwenkte seinen Dienstausweis. »Also?«
»Polizeihauptmeister Schwingshackl«, antwortete der Kollege und wischte sich einen gefrorenen Tropfen Wasauchimmer aus seiner grau melierten Rotzbremse. »Sind Sie nur zu zweit?«
»Äh … ja«, antwortete ich. »Wie viele Leute hätten Sie denn erwartet?«
»Um das geht’s nicht«, antwortete er. »Ein bisschen erfahrenere Leute wären halt besser gewesen. Immerhin haben wir hier eine Leiche!« Er musterte uns so vorwurfsvoll, als hätten wir den Toten höchstpersönlich auf dem Gewissen.
Ich bedachte ihn mit einem besonders treudoofen Blick. »Ja, das haben wir unserem Chef auch gesagt. Aber der hat gemeint, dass sich seine erfahrenen Mitarbeiter allesamt nicht mehr mit den Kollegen aus Wörth rumschlagen wollen. Also mussten halt doch wir herkommen.«
Mit zuckenden Mundwinkeln setzte sich Raphael wortlos in Bewegung und steuerte die Gruppe Streifenpolizisten auf der Rampe an, während Schwingshackl noch darüber nachzugrübeln schien, ob ich tatsächlich etwas unterbelichtet oder einfach nur unverschämt war.
Wortlos ließ ich ihn stehen und folgte Raphael. Eine Sekunde später hörte ich zu meinem Bedauern schon wieder Schwingshackls Schnaufen hinter mir, unterbrochen von leisen Schimpfsalven, von denen ich nur vereinzelte Wortfetzen verstand – »… und lange Haar hat er auch noch, der arrogante Zipfel …«, »… so eine damische Ringelmütz’n …«, »… das hätt’s früher alles nicht gegeben …« –, bevor ich schließlich auf Durchzug schaltete. Meine Energie sparte ich mir lieber für das im wahrsten Sinne des Wortes vor mir Liegende auf.
Der Tote war mit dem Gesicht nach unten auf die flach abfallende Rampe geschwemmt worden. Treibholz, eine Sektflasche, Laub und eine Plastikplane umkränzten seinen Körper und hatten, ebenso wie die Leiche selbst, den Weg aus der Schneise nicht mehr gefunden. Sein Gesicht steckte in angeschwemmtem Geröll und Schneematsch, der Körper war von Wasser umspült und wippte sachte mit der Strömung.
Ich grüßte die zurückhaltend nickenden Kollegen, die neben der Leiche standen, und beugte mich hinab zu Raphael, der bereits in die Hocke gegangen war. In diesem Augenblick war ich sogar dankbar für die Eiseskälte, die beim Einatmen in der Nase stach und so dem Verwesungsgeruch zum Glück kaum eine Chance ließ.
Der Tote hatte dunkles Haar,
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