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Donaugrund (German Edition)

Donaugrund (German Edition)

Titel: Donaugrund (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Silberhorn
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immer eine Gratwanderung, den richtigen Ton zwischen Mitgefühl und Sachlichkeit zu finden, die eigene Haltung so zu justieren, dass man in der Lage war, einerseits Trost zu spenden, andererseits aber den kühlen Kopf zu bewahren, der für unsere Arbeit nun einmal vonnöten war. Und nicht selten versagte ich insgeheim vollends, schaffte es nicht, das Leid der anderen mit wenigstens ein bisschen Distanz zu betrachten, und verbrachte den restlichen Tag so angeschlagen, dass ich nicht mehr zu vielem zu gebrauchen war. Die Toten selbst konnte ich mittlerweile recht gut verkraften. Die Trauer der Angehörigen war es, die mir viel zu oft das Herz zerriss.
    Für Raphael aber war dieser Part – wenigstens vermutete ich das – sogar noch um einiges schlimmer als für mich. Seine ungewöhnliche Schweigsamkeit, der plötzlich wie versteinerte Gesichtsausdruck – als zöge er sich zurück an einen Ort in seinem Inneren, wo kein Platz für mich war. Nur die kleinen nervösen Gesten verrieten die Anspannung hinter der außergewöhnlich ruhigen Fassade. Im Stillen ahnte ich, dass er daran dachte, wie es war, auf der anderen Seite zu stehen und derjenige zu sein, dessen Leben durch die überbrachte Nachricht in seinen Grundfesten erschüttert wurde. Ob er immer noch so trauerte, Isabella ihm immer noch so fehlte?
    Ich wusste, dass es albern war, aber trotzdem spürte ich den schon bekannten Stich im Herzen, der sich nicht mit Vernunft vertreiben ließ, sosehr ich es auch versuchte. Und dabei regte sich im selben Moment das schlechte Gewissen. Wie konnte ich bloß auf eine Frau eifersüchtig sein, die gestorben war? Die viel zu früh gestorben ist, Sarah. Und die zu Lebzeiten den Mann, den du liebst, anscheinend sehr glücklich gemacht hat. Glücklicher, als ich ihn jetzt mache?, raunte die leise Stimme in meinem Hinterkopf mit fiesem Unterton. Ach, halt doch endlich die Klappe, raunte ich zurück.
    Fahrig klopfte Raphael seine Anoraktaschen ab und zog endlich das Zigarettenpäckchen aus der rechten.
    Ich räusperte mich vernehmlich.
    »Ach fuck .« Mit gerunzelter Stirn starrte er die Schachtel Lucky Strike in seiner Hand an. »Das ist doch zum Kotzen. Kaum liegt eine Leiche vor unserer Nase rum, fange ich wieder zu qualmen an, ohne es überhaupt zu merken.«
    »Jetzt hast du’s doch noch rechtzeitig gemerkt«, antwortete ich nachsichtig. Aber es stimmte tatsächlich: Raphael hatte in den letzten Wochen den Umstand, mit einer Nichtraucherin liiert zu sein, genutzt, um selbst von »starker Raucher« auf »Gelegenheitsraucher« zurückzuschrauben. Jeden Feierabend hatte er sich eine zugestanden, außerdem zum gelegentlich konsumierten Bier. Und ich hatte nicht den Eindruck gehabt, als hätte er an die Qualmerei ansonsten auch nur einen sehnsüchtigen Gedanken verschwendet. Jetzt allerdings sah er das Päckchen so begehrlich an wie ich neulich diese schweineteuren roten Lederstiefel mit den meterhohen Absätzen, von deren Kauf ich erst nach einigem guten Zureden meiner Freundin Nicole, die meine eingeschränkten Stöckel-Fähigkeiten kannte, abgesehen hatte. Dabei hätten sie ohnehin den Rahmen meines Kontos gesprengt.
    Mit einem deprimierten Seufzen steckte er die Schachtel zurück in die Tasche.
    »Dann rauch halt eine«, sagte ich. »Eine einzige bloß. Und danach reißt du dich wieder zusammen.«
    »Das ist ja mal tolle moralische Unterstützung«, antwortete er und warf mir einen erbosten Blick zu. »Nein, ich zieh das jetzt durch«, sagte er im nächsten Moment entschieden. »Und du, meine Hübsche, wirst mir assistieren.« Lächelnd zog er die Schachtel wieder hervor und drückte sie mir in die Hand. »Kein Wunder, dass ich in Versuchung komme, wenn ich die Dinger ständig selbst durch die Gegend trage. Du hast doch bestimmt noch Platz in deinem Täschchen.« Das war eine sehr niedliche Bezeichnung für das Ungetüm, das ich heute mit mir herumschleppte. »Du genehmigst mir eine nach Feierabend und eine, wenn ich mal ein Bier trinke. Ansonsten bist du knallhart, okay?«
    »Geht klar.« Wenn er mir auf die Nerven fiel, würde es einen Heidenspaß machen, knallhart zu sein. »Du meinst das ja wirklich ernst. Find ich gut.«
    »Ich quäl mich selten nur zum Spaß«, erwiderte er übellaunig.
    »Und trotzdem bist du mit mir zusammen?«, fragte ich grinsend.
    Er zwinkerte zu mir herüber. »Dieser Widerspruch ist mir auch gerade aufgefallen.«
    In einer hübschen Lappersdorfer Neubausiedlung standen wir schließlich am Ende einer

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