Donaugrund (German Edition)
schmalen, bergauf führenden Straße vor der Tür eines Einfamilienhauses, das offensichtlich erst vor Kurzem gebaut und bezogen worden war – dafür sprachen sowohl der moderne Stil als auch der mit Holzbrettern ausgelegte Weg vom Gartentor zur Haustür und die Schubkarre, die zwischen zwei Paletten Pflastersteinen am Rande dessen stand, was wohl im nächsten Sommer mal ein Garten werden sollte.
Wir sahen uns an und atmeten beide tief durch, bevor ich entschieden auf den Klingelknopf drückte. Sofort hörten wir eifriges Schrittetrappeln hinter der Tür, die im nächsten Augenblick von einem etwa fünfjährigen Mädchen mit schwarzen Locken, dick eingepackt in einen wattierten Schneeanzug, aufgerissen wurde. »Hallo«, sagte sie, und ihr Lächeln wich einer enttäuschten Miene. Offensichtlich hatte sie jemand anderen erwartet.
»Hallo«, antwortete Raphael mit einem angestrengten Lächeln und trommelte mit den Fingerkuppen gegen seinen Oberschenkel. »Ist deine Mama auch zu Hause?«
»Klar. Aber wir gehen jetzt Schlitten fahren«, antwortete sie mit Nachdruck.
»Schlitten fahren, das ist ja klasse!« Raphael war so aufrichtig begeistert, dass ich trotz der unangenehmen Gesamtsituation anfing zu lächeln.
Auch das Mädchen freute sich offensichtlich darüber, dass er ihre Einstellung zum Schlittenfahren teilte, so wie sie ihn anstrahlte.
Trotzdem schaltete ich mich vorsichtshalber dazwischen, bevor Raphael auf die Idee kam, mit seiner neuen Freundin der gemeinsamen Liebe zum Wintersport zu frönen und mich mit der frischgebackenen Witwe hier allein sitzen zu lassen. »Können wir denn vorher noch kurz mit deiner Mama reden?«, fragte ich.
»Okee.« Mit einer ruckartigen Bewegung drehte sie sich auf der Ferse um und dampfte ab.
»Süß, die Kleine«, sagte Raphael geknickt.
Es dauerte nicht lange, bis Beate Wahlner, den Lockenkopf an der Hand und ein weiteres warm eingepacktes Kleinkind auf dem Arm, den kurzen Flur entlang auf uns zukam. Langes hellbraunes Haar umspielte ihr mädchenhaftes Gesicht, sie wirkte schmal und zerbrechlich. Als wäre es nicht ohnehin schon schwierig genug, dieses Gespräch zu führen … Sie lächelte uns entgegen, aber das Lächeln erreichte ihre Augen nicht und wich einem zunehmend besorgten Gesichtsausdruck, je näher sie kam. Als ahnte sie schon, welche Nachricht wir zu überbringen gedachten.
»Hallo, Frau Wahlner«, sagte ich ernst. »Mein Name ist Sarah Sonnenberg, und das ist mein Kollege Raphael Jordan. Wir sind von der Kripo Regensburg.«
Sie grüßte nicht, sah mich nur mit großen Augen an, und ich nickte kaum merklich.
»Lena«, sagte sie mit seltsam hohl klingender Stimme zu dem Mädchen an ihrer Hand, »räum doch bitte noch dein Zimmer auf, bevor wir zum Schlittenfahren gehen.«
Lena nickte verunsichert und ging langsam die Treppe nach oben.
Frau Wahlner sah ihrer Tochter nach, dann straffte sie sich. »Kommen Sie herein.«
Kaum dass sie uns im Wohnzimmer auf der Ledercouch Platz angeboten und das zweite Töchterchen im Laufstall abgesetzt hatte, fragte sie mit leiser Stimme: »Ist er tot?«
»Ja«, antwortete ich. »Es tut uns leid, Frau Wahlner.«
Sie sah durch uns hindurch, als bräuchte sie einen Moment, um diese Nachricht wirklich zu erfassen. Wahrscheinlich hatte sie genau das insgeheim befürchtet, damit gerechnet, vielleicht sogar ganz leise gehofft, dass die Ungewissheit bald ein Ende haben und sie über den Verbleib ihres Mannes Bescheid wissen würde.
»Wie ist es passiert?«, fragte sie schließlich.
Nein, sie wirkte wirklich nicht schockiert. Traurig, das ja. Aber auch so, als hätte sie sich auf diese Nachricht bereits vorbereitet. Ich hoffte inständig, dass sie nicht den Wunsch verspürte, ihn noch einmal zu sehen. Oder zumindest nicht darauf bestand. »Ein Spaziergänger hat ihn heute gefunden, in Bach an der Donau. Er ist vermutlich flussabwärts dorthin getrieben.«
»Ertrunken?«, fragte sie.
»Davon gehen wir nach dem derzeitigen Ermittlungsstand aus«, antwortete Raphael mit rauer Stimme und räusperte sich. »Frau Wahlner«, setzte er wieder an, wurde aber von der Türklingel unterbrochen.
»Das wird Lenas Freundin mit ihrer Mutter sein«, sagte Frau Wahlner. »Vielleicht kann sie sich ein paar Stunden um die Mädchen kümmern.«
Eilig verließ sie das Wohnzimmer. Gedämpft hörten wir ihre und eine weitere Frauenstimme, dann rief sie nach Lena.
Raphael erhob sich, ging zum Laufstall und hob den Stofftiger auf, der
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