Donavan und die Eurasierin
nach wie vor
prachtvoll, die Sexbedürfnisse ungemindert, und nirgendwo war ein chinesisches
Kanonenboot zu sehen. Alles schien zu gut, um wahr zu sein, aber unser Glück
hielt an. Chang war höflich, hatte tadellose Manieren, blieb jedoch immer
zurückhaltend. Ganz offensichtlich wünschte er über nichts Wesentliches zu
reden, und ich respektierte das. Nach zwei Tagen war die Atmosphäre wieder
ebenso gelockert wie vor unserem Eintreffen in der Kwan Po Bucht, und das
Dasein hatte erneut etwas Euphorisches. Franklin schätzte, daß wir in rund
sechsunddreißig Stunden in Macau ankommen würden, also am späten Abend des
zweiundzwanzigsten. Ich teilte Chang das mit, weil ich annahm, es würde ihn
interessieren.
»Eine ausgezeichnete Nachricht,
Mr. Donavan«, sagte er. »Ich muß am dreiundzwanzigsten in Macau sein.« Er sah
mich aufmerksam an. »Unser gemeinsamer Freund Mr. Delaney hat Ihnen von mir
erzählt?«
»Ein bißchen«, antwortete ich.
»Ich glaube, Sie beide haben sich kennengelernt, als er Ihr Land besuchte?«
»Stimmt«, bestätigte er. »Was
hat er Ihnen von mir erzählt?«
»Daß Sie einer der führenden
Biochemiker auf dieser Welt seien«, sagte ich.
»Da hat er mir geschmeichelt.«
Chang lächelte. »Mir paßte die Einstellung unserer Politiker gegenüber den
Resultaten der Experimente, die ich gezwungenermaßen anstellen mußte, nicht.
Bakterieller Krieg ist eine sehr gefährliche Sache, Mr. Donavan. Finden Sie
nicht auch?«
»Gewiß; eine häßliche Sache.«
»Ich betrachte mich nicht als
Verräter«, fuhr er ernsthaft fort. »Es gibt Zeiten, in denen Humanität den
Vorrang vor den selbstmörderischen nationalistischen Zielen des eigenen Landes hat.«
»Sie haben sicher recht, Mr.
Chang«, sagte ich. »Übrigens, Pat Delaney ist tot. Er wurde in Bangkok
ermordet.«
»Aber das ist ja entsetzlich!«
Er war sichtlich erschüttert. »Wissen Sie, wer ihn umgebracht hat?«
»Ich vermute, daß ein Mann
namens Woodbury das ganze organisiert hat«, antwortete ich. »Aber ich kann mich
täuschen.«
»Warum hat ihn dieser Mann
umbringen wollen?«
»Das ganze hat etwas mit
Syndikaten zu tun«, erwiderte ich. »Ich bin nie recht dahintergekommen.
Hoffentlich bringt das Ihre Pläne nicht durcheinander.«
»Nein, glücklicherweise nicht«,
sagte er. »Andere Leute organisieren meine Flucht, wenn ich einmal in Macau
angelangt bin. Aber der Tod unseres Freundes trifft mich schmerzlich.«
»Pat war ein guter Freund«,
sagte ich. »Ich traure auch um ihn.«
Ich kehrte an Deck zurück.
Hicks hatte Wache. Die beiden Mädchen und Ben Franklin lagen alle ausgestreckt
da und sogen die Sonne auf.
»Sind Sie eifersüchtig , was
Elaine betrifft?« fragte ich Hicks.
»Ich?« Er warf mir einen
verächtlichen Blick zu. »Eifersüchtig wegen einer Puppe - Mann!«
»Ich möchte, daß sie heute nacht was für mich tut«, sagte ich.
»Haben Sie die Großherzogin
satt?« fragte er. »Na ja, mal eine andere ist so gut wie Urlaub machen, pflegte
meine alte Mammi zu sagen - allerdings nie, wenn der Alte um den Weg war.«
»Daran habe ich eigentlich nicht
gedacht«, sagte ich. »Wir werden heute abend gemäßigt
feiern, da wir schon so nahe bei Macau sind. Franklin wird Wache haben, der ist
also aus dem Weg. Sie, ich und Daphne tun so, als ob wir sehr betrunken seien.
Dann lockt Elaine Chang irgendwo hinauf aufs Deck, wie, das muß ich ihr
überlassen. Vielleicht verführt sie ihn oder verwickelt ihn in ein ernsthaftes
Gespräch über die Zukunft Asiens. In jedem Fall muß sie ihn von der Hauptkabine
fernhalten, bis Sie mit allem fertig sind.«
»Womit fertig?«
»Öffnen Sie einen seiner
Koffer«, sagte ich. »Ich möchte wissen, was er enthält. Aber Sie müssen ihn
wieder so schließen, daß er hinterher nicht merkt, daß er geöffnet worden ist.«
»Dazu braucht sie nicht mit ihm
zu schlafen, Kollege«, sagte er. »Das dauert höchstens zehn Minuten.«
»Ausgezeichnet«, sagte ich.
»Wenn Sie ihn im Auge behalten,
dann könnte ich es jetzt gleich machen.«
»Es besteht immer die Gefahr,
daß er sich plötzlich entschließt, in die Kabine zu gehen«, sagte ich. »Er soll
nichts davon wissen.«
»Na gut.« Hicks zuckte mit den
Schultern. »Wie Sie wollen. Ich möchte Sie ja nicht beunruhigen, aber ich hatte gestern nacht die Mittelwache.«
»Mittelwache, Captain?«
»So nennt Franklin das
jedenfalls«, sagte er. »Die schlimmste Zeit, von Mitternacht bis vier Uhr früh.
Der Mondschein war
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