Donner: Die Chroniken von Hara 3
Bucheckern.
Ich sammelte eine Handvoll davon auf und steckte sie in die Tasche. Roh durfte man die Dinger nicht essen. Nicht nur, dass sie bitter waren, sie enthielten auch Stoffe, die einem das Hirn zum Kochen brachten. Aber wenn man sie röstete, dann sah die Sache schon anders aus, dann waren sie nicht nur lecker, sondern sättigten auch.
Über einen kleinen Fluss mit sehr schneller Strömung mussten wir von Stein zu Stein springen. Diese Heldentat vollbrachten wir ohne Verluste. Bald darauf stießen wir auf einen großen Biberdamm, der die Bäume auf einer Lichtung bereits ein wenig unter Wasser gesetzt hatte. Auf dem öligen, trägen Wasser schwammen Hunderte, wenn nicht gar Tausende abgefallener Blätter.
Nachdem Ghbabakh die benagten und umgestürzten Bäume eingehend betrachtet hatte, verkündete er uns sein Urteil: Dies könne nicht das Werk von Tieren sein, sondern müsse auf andere Wesen zurückgehen.
Den ganzen Weg über dachte ich an die drei Verdammten. Mit ihnen beabsichtigte ich Dinge zu tun, die mehr als finster waren. Die drei hatten einen enormen Fehler begangen, als sie sich mit mir angelegt hatten. O ja, die hätten wirklich besser die Finger von Lahen lassen sollen. Denn nun würde ich keine Ruhe mehr geben – es sei denn, sie schickten mich zur ewigen Ruhe. Solange das jedoch noch nicht geschehen war, würde ich sie mir, wenn ich Glück hatte, vorknöpfen und mich mit ihnen in einer Weise
unterhalten,
wie sie es sich selbst in ihren schwärzesten Träumen nicht ausmalten.
Wer sagt denn, dass ein gewöhnlicher Sterblicher nicht imstande ist, einen oder eine Verdammte zu töten? Vor allem, wenn dieser Sterbliche nichts zu verlieren hat. Eben!
An Lahen dachte ich natürlich auch, und zwar ständig. Sogar dann, wenn ich mich mit jemand anderem unterhielt. Das gab ich aber nicht mal vor mir selbst gern zu. Doch ich hörte ununterbrochen ihre Stimme, spürte ihren Atem. Manchmal meinte ich sogar, ich bräuchte mich bloß umzudrehen, dann würde ich in ihre lachenden blauen Augen sehen, und mitunter war die Versuchung derart groß, dass ich mich tatsächlich umdrehte – aber selbstverständlich war Lahen nie da.
Tagsüber lebte ich vor mich hin, erst im Schlaf blühte ich auf, denn da kam sie zu mir. Wenn ich dann aufwachte, wollte ich heulen wie ein Wolf.
Manchmal suchten mich auch noch Albträume heim. In denen die Steppe brannte, purpurrote Funken vom Himmel regneten und die Spielkarten mit dem Bild der Jungfrau vorkamen. Meiner Jungfrau. Lahen fiel in einen Abgrund, und ich konnte sie nicht halten, verlor sie Mal um Mal. Sie machten mir das Leben noch unerträglicher.
Garrett hatte recht behalten. Wenn man den Wind einfängt, darf man nichts Gutes erwarten. Und derjenige, der vom Wind gepackt wird, hat nur selten Grund zur Freude. Wie oft hatte ich schon über die letzten Worte des Diebes nachgedacht: Halte du nur den Wind fest und tu, was getan werden muss! Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass ich den Wind noch immer in der Faust gepackt hielt. Nur hieß das, dass ich – und mit mir all meine Gefährten – mich im Zentrum eines Sturms befand. Wenn ich jetzt die Finger öffnete, würden wir alle vermutlich weggefegt werden …
Wir kamen wesentlich schlechter voran, als ich gehofft hatte. Typhus und Rona verstanden nicht viel davon, wie man sich im Wald bewegt. Doch während die Verdammte dank ihres neuen, strapazierfähigeren Körpers sturköpfig weiterstapfte, stolperte Rona bei jedem Schritt. Da sie außerdem immer noch geschwächt war, nachdem sie sich magisch verausgabt hatte, hielt sie sich nur mit letzten Kräften auf den Beinen. Deshalb ließ ich weit vor Einbruch der Nacht in der Nähe eines Baches mit einem Steinufer haltmachen. Weil es noch gut drei Stunden hell bleiben würde, brach ich zur Jagd auf. Doch das Glück war mir nicht hold.
Als ich in der Abenddämmerung wütend und enttäuscht zurückkehrte, erblickte ich neben dem Feuer zwei Dutzend silbrig glänzender Fische.
»Wer hat uns denn vor dem Hungertod gerettet?«
»Ich«, antwortete Ghbabakh. »Im Bach gwibt es viele Fische.«
Yumi und Shen bereiteten das Essen zu. Shen nörgelte die ganze Zeit herum, weil es keinen Kessel, keine Pfanne, ja, noch nicht mal einen Becher gab, während die Stöcke, auf die sie die Fische gespießt hatten, jede Sekunde in Flammen aufzugehen oder ins Feuer zu fallen drohten.
»Kannst du uns einen Kessel machen?«, wandte ich mich an Typhus.
»Mhm«, murmelte sie mit vollem
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