Donner: Die Chroniken von Hara 3
verschmurgeln?«
»Feuer bedeutet Qualen«, erwiderte sie trotz meines Tons ernsthaft. »Das ist Rowans Sache. Ich ziehe es vor, einen Feind schnell zu töten.«
Sie schnalzte mit den Fingern, und für den Bruchteil einer Sekunde wurde es um uns herum duster. Die Schatten nahe den Felsen verdichteten sich und formten sich zu einem schwarzen Raben. Er spreizte die Federn, krächzte heiser, schlug mit den Flügeln und erhob sich gen Himmel.
»Wir müssen herausfinden, mit wem wir es zu tun haben«, erklärte sie – und ihr Blick wurde leer.
Ich nahm den Bogen an mich, schulterte den Köcher und sah dem Vogel nach. Der legte sich auf die Seite, beschrieb einen Kreis und verschwand hinter den Gipfeln.
»Wir sind hier völligwa ungweschützt. Um uns herum gwibt es nur Büsche. Besser, wir versteckwen uns im Wald.«
»Warten wir erst noch auf Rona und Shen«, sagte ich zu ihm und fragte dann Typhus: »Siehst du was?«
Sie antwortete erst fünf Sekunden später. »Ja. Vier Männer, alle bewaffnet.« Ihre Stimme klang trocken und brüchig. »Wenn sie in den nächsten drei Minuten nicht irgendwo abbiegen, gehen sie an uns vorbei, ohne uns überhaupt zu bemerken.«
»Behalt sie im Auge.«
»Das ist nicht so einfach. In zwei oder drei Minuten versiegt der Zauber.«
»Sind es Nabatorer?«, fragte Ghbabakh mit purpurrotem Kamm.
»Ich glaube nicht. Einer von ihnen ist ein Nordländer.«
Falls das tatsächlich unsere Leute waren, konnte das nur von Vorteil sein. Falls nicht, bekämen wir ein echtes Problem, denn Nordländer waren Männer aus Stahl.
»Sehen wir sie uns mal an?«, fragte Ghbabakh mich und legte die giftigen Stacheln an den Armen frei.
»Ja. Aber stürz dich nicht Hals über Kopf auf sie.«
»Natürlich nicht.«
»He!«, empörte sich Typhus. »Und was wird aus mir?«
»Du wartest auf Rona und Shen. Im Wald wärst du uns eh nur ein Klotz am Bein, so wie du trampelst. Wir sind gleich wieder da.«
Ich gab dem Blasgen ein Zeichen und rannte los. Ohne uns abzusprechen, trennten wir uns, sobald wir den Wald erreicht hatten. Ich lief geradeaus weiter, Ghbabakh machte einen großen Bogen, der ihn von hinten an die Unbekannten heranführen würde. Die Richtung, die uns Typhus genannt hatte, deutete darauf hin, dass sie einen Tierpfad nutzten. Hinter einer dicken Buche blieb ich stehen, bohrte zwei Pfeile in den Boden und richtete mich darauf ein, die werten Herren in Empfang zu nehmen.
Es dauerte nicht lange, bis ich Stimmen hörte. Genauer gesagt, eine Stimme. Was der Mann sagte, verstand ich zwar nicht, aber offenbar hielt er es keineswegs für nötig, leise zu sprechen.
Als Erster kam ein hochgewachsener junger Mann in leichter Rüstung um die Biegung. Nicht einmal die gebrochene Nase konnte das edle Gesicht entstellen. Seine Schläfen schimmerten silbern. Als ich den zweiten Mann erblickte, wären mir beinahe die Augen herausgefallen. Das war niemand anderes als mein guter alter Bekannter Luk, abgemagert zwar, hohlwangig und mit Dreitagebart, aber ohne Frage er. Und sollte es doch noch Zweifel geben, wurden sie ausgeräumt, als er laut und schmollend seine vielgeliebte Kröte zitierte.
Bei dem Dritten handelte es sich um einen Ritter in noch schlichterer Rüstung, die aber durchaus stabil wirkte. Über dem Rücken trug er eine Streitaxt, dazu aber auch noch einen Bogen und einen Köcher voller Pfeile. Der Mann war kleiner als der erste, dafür aber breiter in den Schultern.
Ein paar Sekunden später tauchte dann Ga-nor auf, überholte die anderen drei und blieb zehn Schritt vor meinem Versteck mit blankgezogenem Schwert stehen. Wie er meine Anwesenheit hatte spüren können, war mir ein Rätsel.
Ich trat auf den Pfad hinaus. Ohne auf die Waffe zu achten, schob ich die Kapuze vom Kopf und strahlte den verblüfften Ga-nor an.
»Dein Ug muss ohne Frage etwas für uns übrighaben, Irbissohn«, begrüßte ich ihn. »Ich bin froh, dass er euch aus Alsgara herausgebracht hat.«
»Ich hätte nie gedacht, dich in dieser Ödnis zu treffen, Gijan«, erklärte Ga-nor mit einem ebenso strahlenden Lächeln und steckte das Schwert in die Scheide zurück. »Und recht hast du: Ug muss uns wohlgesonnen sein, wenn unsere Wege sich nun schon zum dritten Mal kreuzen.«
»Da platzt doch die Kröte!« Luk stürmte auf mich zu und klopfte mir im Überschwang der Gefühle auf den Rücken. »Du bist doch kein Gespenst, oder? Hol mich das Reich der Tiefe! Dich hier zu treffen! Das reinste Wunder!«
»Ihr kennt euch
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