Donner: Die Chroniken von Hara 3
voller Sonne, Regwen, Regwenbögwen und Regwenwürmern.«
»Das tröstet mich ungemein«, presste ich heraus.
»Das sollte es auch«, erklärte er und verzog sein Froschmaul zu einem Lächeln. »Gweht es dir jetzt besser?«
»O ja.«
»Gwut! Khaghun sagwat, man darf sich nicht nach denen sehnen, die fortgwegwangwen sind. Denn in dem Fall gweht es ihnen schlecht. Wir müssen sie freilassen, damit sie ihr neues Leben gwenießen.«
»Und wohl auch die Regenwürmer?«
»Richtigwa«, bestätigte er. »Aber du bist noch kwalein und hast mir nicht zugwehört und mich nicht verstanden. Pass auf, morgwen sieht die Welt schon wieder anders aus. Jetzt werd ich mich mal etwas in der Gwegwend umsehen.«
Der Blasge verließ die Straße und verschwand im hohen Gras. Die nächsten paar Stunden würde er sich nun nicht mehr blicken lassen. Ich lenkte die Pferde, die unseren gelb-braunen Holzwagen zogen, um eine große Pfütze herum. Trotz des Regens hatte der Schlamm noch nicht ganz die Herrschaft über die Straße gewonnen, sodass der Wagen nicht alle zwanzig Yard stecken blieb. Im Gegenteil, das war überhaupt erst ein Mal geschehen, als unser Sturkopf Shen geradewegs durch eine Pfütze gefahren war. Ghbabakh, der wie jeder Blasge über enorme Kräfte verfügte, hatte den Wagen jedoch ohne Mühe aus dem Matsch gezogen.
Dass Ghbabakh und sein kleiner Freund ihren Weg mit uns fortsetzten, störte mich nicht im Geringsten, auch wenn ich nicht wusste, weshalb sie Gefährten brauchten. Dieses illustre Pärchen streifte schon seit langer Zeit gemeinsam durchs Land, war noch vor dem Krieg aufgebrochen. Gerade Ghbabakh pflegte eine Leidenschaft für dieses Umherziehen und glaubte in seinem unverwüstlichen Optimismus fest daran, dass alles gut werden würde. Wenn nicht heute, dann morgen.
Mein Platz war auf dem Kutschbock. Von dort aus behielt ich die Straße im Auge, lenkte die Pferde, lauschte auf den Regen – und sah Lahens Grab vor mir. Ich hatte sie etwas abseits vom Anwesen begraben, näher bei den Hügeln. Shen hatte mir einen Spaten gebracht und mir eigentlich zur Hand gehen wollen, aber ich hatte seine Hilfe abgelehnt und das Grab allein ausgehoben. Am Ende hatte Ghbabakh einen Findling angeschleppt, der uns als Grabstein diente. Yumi, die gute Seele, hatte in den Beeten sämtliche Blumen gepflückt, die die Kämpfe hier überstanden hatten, und sie mir überreicht, dabei wie stets etwas von seinem Hund murmelnd.
Obwohl am Ende der Zeremonie die Nacht bereits hereingebrochen war, hatte ich mich mit einer Laterne bewaffnet und trotz des wieder einsetzenden Regens nach den Spuren des Mörders gesucht, weil ich fürchtete, am Morgen könnten sie bereits weggespült sein. Aber schon zu diesem Zeitpunkt hatte der Regen mehr als genug Unheil angerichtet. Und ohne Yumi, der sich als hervorragender Fährtenleser herausstellte, hätte ich die Abdrücke der Hufe, die von Nordwesten zum Anwesen führten, nie entdeckt.
Den Rest der Nacht hatte ich das Haus gründlich durchstöbert und mir erlaubt, alles, was uns unterwegs von Nutzen sein konnte, an mich zu nehmen. Bei Tagesanbruch hatte ich mich dann von meinem Augenstern verabschiedet und ihr versprochen zurückzukommen, jedoch kein Wort darüber verloren, was ich mit ihrem Mörder zu tun gedachte. Wahrscheinlich hätte sie das nicht gutgeheißen. Wohl zu Recht, schließlich war mir selbst klar, welcher Gefahr ich mich aussetzte, wenn ich einen Unbekannten jagte, der imstande gewesen war, Lepra zu töten. Dennoch klammerte ich mich an diesen Plan, klammerte mich an meine Rache und meinen Hass. Ein Ertrinkender hätte es mit einem Strohhalm nicht anders gemacht.
Denn überließe ich mich allein meiner Angst vor der Einsamkeit, würde ich früher oder später den Verstand verlieren. Deshalb gab es nur eine Möglichkeit, mich vor dem Wahnsinn zu retten: Ich brauchte ein Ziel, das ich mit allen Kräften zu erreichen versuchte.
»Ness!«
Ich schüttelte meine Erinnerungen ab und drehte mich zu Shen um, der den Kopf zwischen den Planen heraussteckte.
»Hast du eigentlich ein Wort von dem, was ich gerade gesagt habe, mitbekommen?!«
»Nein. War es wichtig?«
»Überleg dir das nächste Mal, wann du wieder in deine Grübeleien versinkst. Sonst schleicht sich womöglich noch mal jemand unbemerkt an.«
»Dein Vertrauen in meine Fähigkeiten als Wachtposten ist doch immer wieder überwältigend«, giftete ich. »Was wolltest du mir denn nun unbedingt mitteilen?«
Seufzend kletterte
Weitere Kostenlose Bücher