Donner: Die Chroniken von Hara 3
sich ihr Haar hatte abschneiden müssen.«
Das Lächeln kroch aus Ronas Gesicht, und sie wurde ungewöhnlich ernst. »Ich erinnere mich daran, dass ich sie bei der Verdammten Lepra gesehen habe. Sie war sehr hell. Ich meine, ihr Funken war sehr hell«, berichtigte sie sich unverzüglich. »Es tut mir leid für dich.«
Wenn ich auf eins verzichten konnte, dann auf ihr Mitleid.
»Du willst nicht mit anderen über diese Angelegenheit reden, oder?«, brachte sie leise heraus, denn ihr war nicht entgangen, dass ich zusammengezuckt war. Ihre dunklen Augen ruhten mit einem rätselhaften Ausdruck auf mir.
»Ich will nicht einmal mit mir selbst über diese Angelegenheit reden«, antwortete ich zu meiner eigenen Überraschung.
Sie sah mich aufmerksam an, drehte sich dann aber um, als sie das Geräusch von Schritten hörte.
»Wo hast du denn gesteckt?«, fragte ich Shen. »Außerdem hättest du wenigstens eine Waffe mitnehmen können.«
»Hier ist doch niemand«, erwiderte er leichthin. »Und notfalls weiß ich mich meiner Haut schon zu wehren.«
Wen wollte er damit wohl beruhigen? Rona oder mich? Ich meinerseits glaubte nämlich ganz und gar nicht, dass sich der Junge gegen eine Räuberbande oder wilde Tiere würde zur Wehr setzen können. Andererseits musste ich zugeben, dass er wirklich Fortschritte machte: Nachdem Lahen den Jungen unter ihre Fittiche genommen hatte, setzte er seine Gabe mit weitaus größerem Geschick ein.
»Wo steckt Typhus?«, fragte ich Shen.
»Ich hab nicht weiter auf sie geachtet. Als ich weggegangen bin, war sie noch hier. Weißt du es, Rona?«
»Sie ist nach dir weggegangen«, antwortete sie widerwillig. Offenbar wollte sie nicht über die Verdammte sprechen.
»Und wohin?«
Rona zeigte in die entsprechende Richtung.
»Aus, du Hund!«
Mit diesen Worten huschte unser kleiner Späher in den Espenwald. Ich schnappte mir den Bogen und folgte ihm.
Typhus hatte es nicht darauf angelegt, ihre Spuren zu verwischen, sie zeichneten sich klar und deutlich ab. Irgendwann lichteten sich die Bäume, der Boden wurde immer feuchter, bis es schließlich bei jedem Schritt unter den Füßen schmatzte. Eine aufgeschreckte Elster krächzte los.
»Aus, du Hund!«, erklärte Yumi, der mit dreckigen Pfoten und nassem Fell auf mich zukam.
Mit seinem ganzen Gebaren brachte er zum Ausdruck, dass hier nirgendwo eine Gefahr lauere. Dann zeigte er mir mit wilden Gesten die Richtung, die ich nehmen sollte, und kehrte zu den anderen zurück, um sich zu trocknen und einer für ihn heiligen Handlung beizuwohnen: der Vorbereitung des Essens.
Ich blickte zu den hohen, bläulichen Wolken hinauf. Sie zogen wie scheue Pferde über den Himmel. An diesem Tag schlug das Wetter schon zum fünften Mal um. Auf Regen folgte Sonnenschein und umgekehrt. Der Wald leuchtete bald korallenrot, bald prunkte er mit goldenen Streifen, nur damit er dann wieder grau-blau, finster und düster dräuen konnte.
Typhus kam mir entgegen und grinste mich an: »Hast du dir etwa Sorgen um mich gemacht?«
»Aber gewiss doch. Was machst du hier?«
»Sag bloß, das hat dir unser kleiner Spion verschwiegen. Oder reichten seine drei Wörter nicht aus, um es dir mitzuteilen? Also, ich habe versucht, mit Alenari Verbindung aufzunehmen. Leider ohne Ergebnis. Mithipha schweigt ebenfalls. Allmählich habe ich den Eindruck, die beiden hätten sich abgesprochen.«
»Was haben sie davon, wenn sie schweigen?«
»Sie fürchten meine Fähigkeiten. Ich könnte nämlich erkennen, wo sie sich aufhalten.«
»Wie genau?«, fragte ich mit gleichgültiger Stimme, obwohl mich diese Enthüllung beinah aus der Fassung brachte.
»Nicht sehr genau«, gab Typhus zu. »Ich kann bis zu einhundert League danebenliegen.«
Ich stieß ein verächtliches Schnauben aus.
»Trotzdem musst du zugeben, dass das besser als nichts ist«, bemerkte Typhus.
»Weshalb sollten sich die beiden vor dir verstecken wollen?«, bohrte ich weiter.
»Vielleicht haben sie einen Plan geschmiedet, in den sie mich nicht einzuweihen gedenken. Solange sie schweigen, muss es schon mit dem Zufall zugehen, damit wir sie finden. Andererseits kann ich mir kaum vorstellen, dass ausgerechnet diese beiden unter einer Decke stecken.«
»Dann meinst du also nicht, dass sie Talki einen Besuch abgestattet haben?«
»Ausschließen würde ich es nicht«, sagte Typhus, während sie ein Taschentuch herauszog und sich die Hände abwischte. »Dagegen spricht allerdings, dass weder Mithipha noch Alenari je einen
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