Donner: Die Chroniken von Hara 3
Weg durch eine Welt voller Dämonen nehmen würden. Zumindest nicht, wenn es nicht unbedingt nötig wäre.«
»Meiner Ansicht nach würde der Tod der Verdammten Lepra dieses Risiko durchaus rechtfertigen.«
»Ich würde es trotzdem nicht eingehen.«
»Du bist aber nicht das Maß aller Dinge.«
»Hat man noch Töne!«, brachte sie unter schallendem Gelächter heraus. »Da versucht ein Mann, der ein paar Jahrhunderte weniger auf dem Buckel hat als ich, mich das Leben zu lehren. Obendrein ein Mann, bei dem ich mich bis heute frage, warum ich ihn eigentlich noch immer nicht umgebracht habe. Dabei hab ich mir den ganzen Sommer über nichts sehnlicher gewünscht als das. Schon komisch, denn inzwischen ist es mir fast einerlei, ob du am Leben bist oder nicht.«
»So was kommt vor«, sagte ich ernst, obwohl ich ihr nicht glaubte: Mein Tod dürfte ihr keinesfalls gleichgültig sein.
»Was hast du im Zusammenhang mit dem Regenbogental entschieden?«, wechselte sie das Thema. »Shen und ich, wir sollten keinen Fuß in dieses Tal setzen.«
»Bis zum Regenbogental sind es noch drei Tage, genug Zeit also, damit er sich die Sache anders überlegt. Ich werde mit Rona darüber sprechen.«
»Sie ist eine Schreitende. Deshalb hält sie uns beide für ihre Feinde. Ein Gespräch mit ihr bringt daher gar nichts. Das Mädchen wird uns den Närrinnen aus dem Turm nur zu gern ausliefern.«
»Warum hast du dann geholfen, sie zu heilen?«
»Weil eine Verrückte, die ihre Gabe nicht mehr zu kontrollieren vermag, eine noch größere Gefahr darstellt«, antwortete sie. »Darum war es besser, ihr den Verstand zurückzugeben, als die ganze Zeit gewärtig zu sein, dass sie nicht mehr weiß, was sie tut. Sag mal, darf ich dir eine Frage stellen?«
»Kommt drauf an, welche.«
»Deine Frau, Lahen, war eine starke Autodidaktin. Ungewöhnlich stark sogar. Und ebenso begabt. Trotzdem muss es jemanden gegeben haben, der sie ausgebildet hat, sonst hätte sie mir keinen Widerstand leisten können.«
»Du meinst, sonst hätte sie dich nicht
bezwingen
können?«
»Nenn es, wie du willst. Also, wer war es?«
»Ghinorha.«
Kaum hörte sie diesen Namen, fiel sie in eine Art Starre.
»Du scherzt?«, presste sie heraus, sobald sie die Gabe der Rede zurückgewonnen hatte.
»Die Mutter und die Verdammte Lepra haben das wesentlich schneller geglaubt.«
»Aber das ist unmöglich! Ghinorha ist in den Sümpfen gestorben!«
Daraufhin erzählte ich auch ihr Lahens Geschichte.
»Dann hat sie dich entweder angelogen oder ist selbst einer Lüge aufgesessen«, urteilte Typhus.
Bevor ich jedoch nachhaken konnte, tauchte Ghbabakh auf.
»Die anderen machen sich schon Sorgwen um euch«, erklärte er.
»Dazu besteht überhaupt kein Grund«, beruhigte ich ihn. »Wir kommen gleich.«
Zufrieden mit dieser Antwort kehrte der Blasge sofort um und zog gemächlich ab.
»Wieso glaubst du diese Geschichte nicht?«, wandte ich mich wieder an Typhus.
»Lassen wir die Sache auf sich beruhen.«
»Nein, ich will das jetzt wissen.«
»Die Zauber deiner Frau haben ohne Frage Ghinorhas Handschrift getragen. Sie haben mich immer an jemanden erinnert, aber ich wusste nie, an wen. Jetzt ist mir das klar. Ghinorha. Es war ihr Stil, auch wenn sich die Ausführung ein wenig vom Original unterschied. Bei allen Sternen Haras! Warum habe ich das nicht gleich begriffen?! Gut, ich könnte mir also vorstellen, dass Lahen sie noch gekannt hat. Aber eine Sache lässt mir keine Ruhe: Ghinorha konnte keine Frauen ausbilden! Sie hatte immer nur Schüler, nie auch nur eine einzige Schülerin. Rethar hat mir einmal gestanden, alle Versuche Ghinorhas, Mädchen zu unterrichten, seien gescheitert.«
»Dann muss sie es am Ende doch noch gelernt haben.«
Bei dieser Vermutung zog die Verdammte lediglich vielsagend eine Braue hoch.
»Na, habt ihr gepflegte Konversation miteinander betrieben?«, stichelte Shen, als wir zurückkamen.
»Könnte man so sagen, mein Kleiner.«
Ghbabakh hatte der Saiga bereits das Fell abgezogen, während Yumi und Rona ein Feuer entfacht hatten.
»In einer Woche haben wir Mitte Herbst«, sagte Shen und setzte sich neben mich vor den Wagen.
»Dann werden wir wohl anfangen, mit den Zähnen zu klappern.«
»Das Regenbogental ist ganz in der Nähe. Das erreichen wir schon noch vorher.«
»Du willst also wirklich dorthin?«
»Ich bin kein geringerer Sturkopf als du«, erklärte er mit müdem Lächeln und fuhr sich durchs Haar. »Sei unbesorgt, es wird schon keine
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