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Donner: Die Chroniken von Hara 3

Donner: Die Chroniken von Hara 3

Titel: Donner: Die Chroniken von Hara 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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eine Treppe zwei Stockwerke hinauf. Das Lied klang sogleich wesentlich lauter.
    Ich löste die nassen Lappen von meinen Füßen, warf sie weg und trat in einen breiten Gang mit Gewölbedecke sowie großen Fenstern, die die gesamte rechte Wand einnahmen. Die Scheiben waren beschlagen, hinter ihnen dräute die Nacht. Obwohl die Melodie jäh verstummte, hegte ich keinen Zweifel daran, mich in die richtige Richtung zu bewegen.
    Im Gegensatz zum Erdgeschoss entdeckte ich hier nirgendwo Spuren eines Kampfes oder von Zerstörung. Alle Statuen waren unversehrt, in massiven und nach meinem Dafürhalten recht geschmacklosen Rahmen prangten Bilder, die jedoch zu stark nachgedunkelt waren, als dass ich in ihnen etwas hätte erkennen können. Eine offene Tür führte in einen Raum mit zahlreichen Stühlen.
    Zwei Minuten später bemerkte ich an einer der Treppenabzweigungen einen Mann. Sein Gesicht vermochte ich zwar nicht zu erkennen, aber das beunruhigte mich nicht. Das Zeichen, das er mir machte, war dagegen eindeutig: Er winkte mich zu sich heran, während er langsam die Treppen hinaufstieg. Ich folgte ihm.
    Die Stufen waren geschmiedet und so warm wie ein Lebewesen. Die Treppe brachte uns zu einer Galerie mit Säulen, die als Baumstämme gestaltet waren, um die sich schwarzer Wein rankte. Zu meiner Überraschung handelte es sich dabei um echte Reben. Der Unbekannte verschwand durch eine weitere Tür in den nächsten Raum.
    In diesem brannten Kerzen. Sie standen auf dem Fußboden und zogen sich in drei Kreisen um einen einzelnen massiven Tisch. Obwohl die Tür zu einem Balkon offen stand und draußen ein Unwetter tobte, flackerten die Flammen nicht. Weder die Zugluft noch die hereinspritzenden Regentropfen konnten ihnen etwas anhaben.
    Am Tisch saß Yola, die roten Flügel auf dem Rücken zusammengeklappt. Über ihren Augen trug sie eine purpurrote Binde, sodass sie die Karten blind mischen musste. Die schmalen Finger mit den lilafarbenen Nägeln glitten geschmeidig über den dicken Stapel und verteilten die Karten auf dem Tisch. Jede von ihnen fand den ihr bestimmten Platz. In weniger als einer Minute schuf sie ein Ornament in Form einer Blume.
    Ich trat näher an sie heran, um sehen zu können, was die Karten zeigten. Den Tod, die Jungfrau und den Wahnsinnigen. Diese Motive wiederholten sich wieder und wieder. Nur zeigten sie nicht die vertrauten Gesichter, sondern die der Verdammten und das von Lahen.
    Sobald Yola meine Anwesenheit spürte, sammelte sie die Karten zusammen und wies mit dem Finger in Richtung Balkon.
    Die Nacht war ungewöhnlich finster und rau. Der Wind fuhr durch die Wipfel der Kastanien, zauste die kahlen Äste, Regen ging nieder. Ohne Jacke und noch dazu barfuß setzte mir die Kälte sofort zu. In einem kleinen Kohlenbecken fauchte eine wütende Flamme, auf der nassen Brüstung saß Garrett.
    Er nickte mir zu, als sei ich ein alter Bekannter von ihm. »Wie stehen die Dinge, Grauer?«
    »Nicht gut.«
    »Verstehe.«
    »Du verstehst überhaupt nichts!«, brüllte ich ihn an.
    »Gibst du etwa mir die Schuld für das, was geschehen ist?«, fragte er mit zur Seite geneigtem Kopf.
    »Nein«, antwortete ich leise. »Aber warum bin ich hier?«
    »Um zu sehen.«
    »Was?«
    »Etwas, das zu erfahren nur dir bestimmt ist.«
    »Spar dir deine Rätsel! Die hängen mir zum Halse heraus!«
    »Mir auch«, sagte er, als ihm eine Böe die Kapuze vom Kopf fegte. Trotzdem klärte er mich nicht auf. Entweder weil er es nicht wollte oder weil er es nicht konnte.
    »Was ist das für ein Ort? Der Turm?«
    »Nein. Das ist das Regenbogental.«
    »Hier hat es einen Kampf gegeben. Blicke ich also in die Zukunft? Oder in die Vergangenheit? Oder ist das alles bloß ein Traum?«
    »Es ist etwas, das nicht existiert«, brachte er langsam heraus, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte. »Jedenfalls bislang noch nicht. Ob es je eintritt, entzieht sich meiner Kenntnis.«
    »Wer bist du?«
    »Nur dein Traum«, versicherte er lachend und sprang von der Brüstung.
    »Träume haben die unangenehme Eigenschaft, sich allzu oft zu bewahrheiten.«
    Garrett lächelte, doch sein Blick blieb dabei seltsam ernst.
    »Lass mich dir einen Rat geben«, fuhr er schließlich fort. »Du hast den Wind gefunden und ihn sogar gefangen. Halte ihn jetzt gut fest. Vielleicht trägt er dich dann noch weiter.«
    »Nur bringt mir das Lahen auch nicht zurück. Es ist meine Schuld, dass sie …«
    »Wir alle tragen die Schuld an irgendetwas!«, unterbrach er mich.

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