Donner unter der Kimm
erwiderte Bolitho. »Unsere Hauptaufgabe ist, sie beim Ausbrechen zu erwischen und zu vernichten. Vergessen Sie nicht, daß sie uns auf die Probe stellen, unsere Stärke und unsere Fähigkeiten testen werden.« Er sah Keen an. Nur er wußte, was sich Bolitho bis jetzt aufgespart hatte. »Es existiert ein neugebildetes französisches Geschwader, das aber bisher noch nicht vor Toulon gesichtet wurde. Befehligt wird es von Konteradmiral Jobert.« Er sah sie Blicke tauschen; manche hatten noch nicht ganz begriffen.
Er blickte sich in der Kajüte um. »Gentlemen, dies hier war früher Joberts Schiff. Wir nahmen es ihm vor fünf Monaten ab.«
Wie hatte Jobert das fertiggebracht? Vielleicht war es ihm gelungen, gegen einen britischen Gefangenen gleichen Ranges ausgetauscht zu werden, aber Bolitho hatte von einem solchen Abkommen bisher nichts gehört.
»Er dürfte unseren Kurs kennen und wissen, daß meine Flagge über dem Geschwader weht. Er ist ein tapferer, einfallsreicher Offizier und auf Rache aus.«
Inch beugte sich vor. »Aber diesmal erledigen wir ihn!« Bolitho schaute die drei jüngeren Offiziere an. »Rekognoszieren ist von größter Wichtigkeit. Für mich steht fest, daß hinter der Falle für
Barracouta
Jobert steckte.« Das war zwar kaum mehr als eine Vermutung, paßte aber zu dem, was er über Jobert wußte. Lapishs dankbares Gesicht entschädigte ihn. Dieser Mann würde einen solchen Fehler nicht noch einmal begehen.
»Jobert mag vorhaben, kleine, von unserem Geschwader getrennte Schiffe aufzuspüren und zu vernichten, damit das Gros taub und blind wird.«
Da Joberts ehemaliges Flaggschiff
Argonaute
und die
Helicon,
auch sie eine französische Prise, in seinen Gewässern segelten, brauchte er zur Begleichung der alten Rechnung bestimmt nicht erst ermuntert zu werden.
Bolitho fragte sich, ob Admiral Sheaffe bei ihrer letzten Begegnung über all dies informiert gewesen war. Warum hatte er ihn dann nicht gewarnt?
Bin ich vielleicht der Köder!
»Wir hätten ihm damals gleich den Garaus machen sollen!« murmelte Keen bitter. Er drückte sich nur selten so drastisch aus. Wahrscheinlich sorgte er sich um das Mädchen. Was sollte nun, da sie tiefer ins Mittelmeer hineinfuhren, aus ihr werden? Was sollten sie mit ihr anfangen? Immerhin war es möglich, daß ihr bald Gefahr drohte.
Bolitho verbannte diese Gedanken. Der Krieg hatte Vorrang.
»Nehmen wir jetzt gemeinsam unser Dinner ein, Gentlemen«, sagte er.
Inch strahlte. »Und denken dabei an unsere Lieben daheim.«
Kapitän Houston lächelte dünn. »Es gibt Leute, die haben das nicht nötig.«
Keen wurde blaß, hielt sich aber zurück.
»Kapitän Houston, sollte das vielleicht eine Kränkung sein?« fragte Bolitho. »Wenn ja, fühle ich mich persönlich davon betroffen.« Seine grauen Augen waren plötzlich hart.
»Ich warte auf Ihre Erklärung.«
Das Schweigen war so drückend wie die Schwüle in der Kajüte.
Houston erwiderte Bolithos Blick und sagte zögernd: »Ich wollte niemanden kränken, Sir Richard.«
»Das höre ich gern.« Bolitho wandte sich ab. Houston war ein Dummkopf. Schlimmer noch, er mochte sich zum schwächsten Glied ihrer dünnen Kette entwickeln.
Als sich die anderen zu dem langen Tisch mit den schimmernden Kerzen begaben, flüsterte Keen: »Es fängt schon an, Sir. Ich mache mir Vorwürfe.«
Bolitho drehte sich zu ihm um und packte ihn, die anderen ignorierend, jäh am Arm.
»Reden wir nicht mehr davon. Morgen oder nächste Woche sind wir vielleicht schon bei unseren gefallenen Freunden oder wimmern uns die Seele aus dem Leib, während unsere amputierten Glieder in Tusons Abfallkübel fallen.«
Er packte noch fester zu. »Mit einem geschlossenen Gibraltar konnten Sie nicht rechnen.« Dann lächelte er und gab Keen frei. »Aber ehrlich, Val, ich beneide Sie.« Er wandte sich ab, ehe Keen antworten konnte.
Zwei Tage später, als ein majestätischer Ostindienfahrer in der Bucht vor Anker ging, lief Bolithos Geschwader bei wässrigem Sonnenschein aus. Auf allen Schiffen sorgten sich die Zahlmeister um Trinkwasser und Proviant, und jeder Kommandant stand vor der Notwendigkeit, sparsam mit Tauwerk und Segeltuch umzugehen.
Tausend Meilen östlich des Geschwaders hatte die kleine Brigg
Firefly
in Lee von Nelsons Flaggschiff beigedreht.
Adam Bolitho stand auf dem breiten Achterdeck und schaute hinüber zu den anderen Schiffen und dann empor zur Flagge des Vizeadmirals. Wie auf dem Schiff seines Onkels, aber doch ganz anders.
Weitere Kostenlose Bücher