Donner unter der Kimm
Zweidecker anstarrte, als gehöre er zu einer anderen Welt. Im Heck stand ein Kapitän, der zu
Argonautes
Achterdeck hochblinzelte.
»Ich darf nicht an Bord, Sir Richard. Im Hafen und auf Reede hat der Gouverneur den Befehl übernommen, denn der Admiral ist krank.« Er sprach langsam und gelassen, als sei er sich der zahllosen Augen und Ohren bewußt.
Bolitho ging zur Schanzkleidpforte und sah auf das Boot hinab. Die Männer darin hätten vermutlich alles darum geben, an Bord gelassen zu werden.
Der sonnverbrannte Kapitän fuhr fort: »Ich habe die Brigg
Firefly
als Kurier zu Lord Nelson geschickt.«
Seltsamerweise war bisher nur Inch dem kleinen Admiral begegnet und erzählte immer wieder von dem Erlebnis. Nun mochte Adam ihn treffen.
»Wie ich höre, haben Sie Offiziersfrauen mitgebracht, Sir Richard. Wenn sie an Land gehen wollen, müssen sie das jetzt tun. Es ist ihr gutes Recht, bei ihren Männern zu sein. Aber verlassen können sie die Kolonie erst, wenn dieses Fieber vorbei ist.«
Bolitho sah die
Orontes
vor Anker schwojen. In ihrer Nähe hielt sich ein Wachboot auf, das verhindern sollte, daß jemand an Land schwamm.
So viele Pläne mußten gemacht werden. Wasser, Proviant, Reparaturen – das Geschwader brauchte all dies und noch mehr.
»Ich habe für Sie Depeschen vom Gouverneur, Sir Richard.« Eine Mappe wurde an einem Bootshaken zu den Rüsten emporgereicht. Bolitho sah, wie Carcaud, der schlaksige Gehilfe des Schiffsarztes, sich vorbeugte und sie mit einem Beutel aus Baumwolle ergriff. Tuson ging kein Risiko ein.
Bolitho spürte Keens Blick auf sich ruhen, als er rief: »Alle Offiziersfrauen befinden sich auf der
Helicon.
Ich habe nur eine Frau an Bord.«
Der Kapitän zuckte bedauernd die Achseln. »Wenn sie nicht zur Garnison gehört, Sir Richard, darf sie leider nicht an Land.«
Die Riemen begannen sich zu bewegen, das Boot nahm Fahrt auf. Der Kapitän lüftete grüßend den Hut. »Ich hole die Damen jetzt, Sir.« Damit war der Kontakt unterbrochen.
Keen senkte die Stimme. »Sie haben ihm nicht verraten, daß es eine Strafgefangene ist, Sir.«
Bolitho sah zu, wie der Beutel nach achtern getragen wurde. »Ich kann mich nicht entsinnen, danach gefragt worden zu sein, Val.« Er trat aus dem Schatten und starrte zum Felsen von Gibraltar hoch, dessen uralte maurische Burg der Hitzedunst verhüllte. »Der Gouverneur hätte sie in eine Zelle gesteckt, Val. Da er den Belagerungszustand verhängt hat, käme es auf ein Unrecht mehr oder weniger nicht an.«
Keen starrte ihm erstaunt nach. Bolitho mußte die Depeschen durchgehen und mit seinen Instruktionen von der Admiralität vergleichen; schwere Verantwortung lastete auf ihm. Dennoch hatte er sich Gedanken um das Mädchen Zenoria gemacht. Das brachte Keen aus der Ruhe.
Er drehte sich um und musterte seine Offiziere. »Nun, Mr. Paget, wo fangen wir an?« Er war nun wieder ganz gelassen. Aber wenn auch nur eine Andeutung über diese Affäre nach oben drang, war es um Bolithos Ruf geschehen. Trotzdem hatte er nicht gezögert.
Bei den Booten starrte Allday stirnrunzelnd die grüne Admiralsbarkasse an. Hier vor Gibraltar würde sie also nicht zu Wasser gelassen werden. Er kletterte hinauf, um einen Blick in den schlanken Rumpf zu werfen, und biß sich dabei auf die Lippen, als erwarte er wieder den brennenden Schmerz in der Brust. Das Boot war halb mit Wasser gefüllt, damit sich die Fugen in der Sonne nicht öffneten. Er warf einen Blick hinunter zu Bankart und grinste.
»Das hast du gut gemacht, Junge.« Er war erfreut über die plötzliche Wendung, die ihm einen Sohn beschert hatte, aber noch immer etwas verwirrt. Die beiden unterhielten sich zwar viel, hatten aber nichts gemeinsam außer der Marine. Bankart war ein angenehmer junger Mann, der seinen Posten als Zweiter Bootsführer nicht mißbrauchte.
Allday ließ sich wieder aufs Deck fallen. »Zeit für einen Schluck. Hier werden wir im Augenblick nicht gebraucht.« Er schaute nach achtern. »Der Admiral ist beschäftigt.«
Bankart zog unterm Seitendeck den Kopf ein und fragte: »Wie ist er eigentlich? Ich habe gehört, du bist schon lange bei ihm.«
Allday musterte ihn voller Zuneigung. »Seit deiner Geburt. Ein großartiger Mann. Er ist tapfer und steht zu seinen Kameraden.« Er dachte an das Mädchen in Männerkleidern. Wenn Keen sich nicht vorsah, mußte es bald kritisch werden. Die Matrosen hatten schon begonnen, Wetten abzuschließen, ob der Admiral mit ihr schlief oder der Kommandant:
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