Donner unter der Kimm
Wassertropfen wie Schrot durch die Wanten prasseln.
»Einen Strich anluven, Mr. Okes!« Hallowes zog seinen Degen. Bolitho dachte an seinen und fragte sich, was aus ihm werden würde. Er beschloß, ihn ins Wasser zu werfen, wenn er noch genug Zeit und einen Funken Leben im Leib hatte.
Eine Serie von Explosionen ließ Stayt unterdrückt fluchen. Eine Kugel fetzte durch ein Segel und zertrennte ein Stag wie Nähgarn.
»Feuern in der Aufwärtsbewegung!«
»Wir haben noch keine Chance, Sir!« sagte Stayt heftig.
»Diese Spielzeugkanonen tragen nicht weit genug!«
»Das ist eben Hallowes' Art«, versetzte Bolitho. »Es gibt keinen anderen Weg.«
»Feuer!«
Die Vierpfünder kamen im Rücklauf auf ihren Lafetten binnenbords, aber ihre Explosionen verhallten fast ungehört, als die Fregatte erneut feuerte. Das Deck bäumte sich auf, und Holzsplitter flogen über die geduckten Engländer hinweg.
Dann fuhr eine zweite Salve in die Takelage, und ein Mann fiel schreiend ins Meer.
Suprème
machte trotz des gerissenen Segels so viel Fahrt, daß er bald weit achteraus versank.
»Wie sieht's aus?«
»Es wird heller, Sir«, sagte Stayt tonlos. Weitere Kugeln schlugen dichtbei ins Meer, und eine traf mit einem Ruck, der durch das ganze Schiff ging, den Bug. Zerfetztes Gut segelte aus der Takelage herab oder baumelte von den Rahen wie schäbige Banner.
Die Stückmannschaften schauten nicht nach oben, sondern wischten aus, rammten frische Ladungen in die Rohre, schoben Ladepröpfe eintaten, was sie gelernt hatten.
Weitere Kugeln trafen den Rumpf. »Viel kann sie nicht mehr einstecken«, sagte Bolitho.
»Schiff in Luv, Sir!«
Männer reagierten verständnislos, waren bei dem ohrenbetäubenden Lärm unfähig, die Lage einzuschätzen.
»Es ist die
Rapid,
Sir!« Stayt schüttelte Bolitho am Arm.
»Sie kommt gerade in die Sonne und hat ein Signal gesetzt! Bei Gott, das Geschwader muß hinter der Kimm sein!«
Weitere Treffer erschütterten das Deck, Männer schrien auf, als sie von Splittern niedergemäht wurden. Aber jemand rief: »Der Franzose dreht ab! Die Kerle laufen weg! Denen haben Sie's gezeigt, Käpt'n!«
Doch Stayt sagte bitter: »Hallowes hat's erwischt, Sir.« Er nahm Bolithos Arm. »Bei dieser letzten verdammten Breitseite.«
»Führen Sie mich zu ihm.«
Die Matrosen verfielen in Schweigen, als ihr blinder Admiral zu Hallowes geleitet wurde, den Okes und der Steuermannsgehilfe festhielten.
»Wie schlimm steht es?« murmelte Bolitho.
Stayt schluckte. »Beide Beine weggerissen, Sir.« Bolitho stand nun neben Hallowes.
Hallowes sagte fest: »Ich habe nicht gestrichen. Nur eine kleine Chance …« Er verstummte und schrie dann auf: »Helft mir!« Aber der Tod war schneller.
Bolitho hatte seine Hand gehalten und spürte, wie das Leben aus ihr wich. Jetzt legte er sie aufs Deck und sagte: »Nur eine kleine Chance, und er hat sie genutzt. Daran läßt sich der Mut dieses Mannes ermessen.« Man half ihm auf und drehte ihn, bis er Okes gegenüberstand.
»Die
Suprème
gehört jetzt Ihnen, Mr. Okes. Sie haben sie mehr als verdient. Ich werde dafür sorgen, daß Ihre Beförderung bestätigt wird, und wenn das mein letzter Befehl sein sollte.«
»Rapid
dreht bei, Sir«, meldete Stayt.
Doch das gehörte irgendwie nicht hierher. Hier gab es nur diesen Augenblick und den Schmerz des Verlustes.
»Führen Sie das Schiff gut.«
»Das werde ich, Sir. Aber ich habe nicht gewollt, nicht erwartet…«
Bolitho bemühte sich um ein Lächeln. »Es ist Ihre Chance, Mr. Okes. Ergreifen Sie sie.« Wieder bohrte sich der Schmerz in seine Augen, aber Bolitho zwang sich weiterzusprechen, da er wußte, daß er von allen beobachtet wurde. »Keine Sorge, Mr. Okes.
Suprème
hat einen vorzüglichen neuen Kommandanten und wird wieder kämpfen.«
Okes starrte dem blinden Admiral nach, der von Stayt und Sheaffe ans Schanzkleid geführt wurde.
Dann sagte er mit gebrochener Stimme: »Aye, und Sie auch, Sir, so Gott will.«
Noch brennt das Feuer
Als die Ankertrosse der
Argonaute
steifkam, setzten die Männer bereits die Boote aus, während aus anderen ein Landungstrupp gebildet wurde. Auch
Icarus
war vor Anker gegangen. Selbst ohne Teleskop konnte Keen die Geschäftigkeit auf ihrem Deck sehen.
Die Insel sieht so friedlich aus, dachte er. Da die Sonne in einer Stunde untergehen würde, wollte er bald ein Landungskommando der Royal Marines zusammen mit einer Truppe von Houstons Schiff an Land setzen für den Fall, daß dort noch
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