Donner unter der Kimm
erkundigte, sagte der nur: »Ach, die kam mir in Westindien in die Quere. Ist in solchen Fällen ganz nützlich.«
Bolitho lauschte der Stimme des Mädchens. Sie erinnerte ihn an Falmouth, und bei diesem Gedanken schmerzten seine Augen wieder.
»Ich verstehe nicht, wie Sie bei diesem Licht arbeiten können, Sir«, sagte sie.
»Hier habe ich viel bessere Bedingungen, als ich gewöhnt bin«, versetzte der Arzt und legte Bolitho eine Hand auf den Arm. »Sie sollten jetzt schlafen.« Ein Laken wurde über Bolithos Blöße gezogen, und Tuson fügte hinzu: »Wie ich sehe, haben Sie für König und Vaterland ein paar ehrenvolle Narben erworben, Sir.«
Zu Zenoria sagte er: »So, und Sie nehmen jetzt besser etwas zu sich.«
»Aber rufen Sie mich, wenn Sie mich brauchen, Sir.« Bolitho hob einen Arm und wandte den Kopf zur Tür. Sie kam zurück und griff nach seiner Hand. »Sir?«
Bolitho erkannte seine eigene Stimme kaum. »Ich wollte Ihnen nur danken …«
Sie drückte seine Hand. »Nach allem, was Sie für
mich
getan haben?«
Sie schien die Kajüte fluchtartig zu verlassen. »Ein prächtiges Mädchen«, sagte Tuson ernst.
Bolitho legte sich zurück. »Nun?«
»Noch läßt sich nichts Genaues sagen, Sir. Beide Augen sind verletzt, und eine Prognose kann ich erst geben, wenn die Wunden verheilt sind.«
»Werde ich wieder sehen können?« beharrte Bolitho.
Tuson ging um die Koje herum. Er muß durch eine offene Stückpforte schauen, dachte Bolitho, denn seine Stimme klingt erstickt.
»Am ärgsten hat's das linke Auge erwischt«, sagte Tuson.
»Es waren Sand und Metallfragmente darin. An der Wange hat Sie ein Splitter gestreift – etwas höher, und wir brauchten uns um das Auge keine Sorgen mehr zu machen.«
»Aha.« Bolitho entspannte sich. Es war leichter, wenn man die Wahrheit erfuhr, die unausweichlichen Tatsachen.
Er hält den Fall für hoffnungslos.
»Ich muß sofort mit meinem Flaggkapitän sprechen«, sagte er.
Tuson rührte sich nicht. »Er ist beschäftigt, Sir. Das kann warten.«
»Sie
wagen
es, mir zu sagen, was warten kann und was nicht?«
Tuson legte ihm wieder die Hand auf den Arm. »Das ist meine Pflicht, Sir.«
Bolitho bedeckte die Hand des Arztes mit seiner. »Sie haben recht. Entschuldigung.«
»Schon gut. Jeder Mensch ist anders. Einmal nahm ich einem Matrosen ein Bein ab, und der Mann gab keinen Ton von sich. Danach bedankte er sich bei mir, weil ich ihm das Leben gerettet hatte. Ein anderer wünschte mich zur Hölle, als ich ihm nach einem Sturz aus der Takelage eine Kopfwunde nähte. Ich habe schon alles gesehen und gehört, glaube ich manchmal.« Er gähnte. »Warum tun wir das? Warum tun
Sie
das, Sir Richard? Sie haben soviel für Ihr Land geopfert. Jahrein, jahraus auf See – Sie müssen doch wissen, welche Konsequenzen das hat. Die Quittung bekommen wir mit einer Unvermeidlichkeit, die nicht ignoriert werden kann.«
»Den Tod?«
»Es gibt Schlimmeres als den Tod«, erwiderte Tuson.
»Aber ich gehe jetzt, Sir. Es scheint, Ihr Flaggkapitän ist ohnehin schon da.«
Bolitho versuchte, seine Verzweiflung in die Finsternis abzudrängen, als Keen sich neben die Koje setzte und fragte: »Wie geht's, Sir?«
»Ich habe ein wenig Licht sehen können, Val. Die Schmerzen haben nachgelassen, und wenn ich erst rasiert bin, fühle ich mich bestimmt wieder menschlich.«
»Dem Himmel sei Dank«, sagte Keen.
Bolitho tastete nach seinem Arm. »Dank auch Ihnen, Val, denn Sie haben uns alle gerettet.« Er ballte die andere Hand zur Faust. »Sagen Sie mir, was oben geschieht.«
Als Tuson zurückkehrte, fand er sie ins Gespräch vertieft.
»Das muß ein Ende haben, Gentlemen!« sagte er streng.
Bolitho hob die Hand. »Moment noch, Sie unduldsamer Knochenbrecher!« Zu Keen sagte er: »Gut, Sie nehmen also das restliche Trinkwasser an Bord, und anschließend bringen wir so rasch wie möglich das Geschwader wieder zusammen. Jobert versucht, unsere Kräfte zu zerstreuen. Ich bin mit Ihnen einig, daß es Zeit für den nächsten Schachzug ist. Schicken Sie mir Yovell.« Er hörte Tuson mißbilligend schnalzen. »Ich gebe
Suprème
einen eigenen Bericht mit.«
Bolitho legte den Kopf aufs Kissen und versuchte, unter dem Verband die Augenlider zu bewegen. Er konnte Keen und den Arzt vor der Tür flüstern hören und hatte plötzlich das Bedürfnis, aufzustehen, an Deck zu gehen und so zu tun, als sei nichts geschehen.
»Wird er denn wirklich genesen?« fragte Keen.
»Das kann ich noch nicht sagen.
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