Donner unter der Kimm
einem Lappen ab und musterte Bolitho streng.
»Wenn Sie so weitermachen, Sir Richard, kann ich Ihre Genesung nicht länger garantieren.«
Er rechnete mit einer scharfen Entgegnung, aber zu seinem Schrecken schien Bolitho überhaupt nicht zugehört zu haben. Er war an die Heckfenster getreten und starrte apathisch ins glitzernde Kielwasser.
Durch das Schiff hallten Hammerschläge, und Taljen quietschten, als neues Tauwerk zu den Rahen hinaufgehievt wurde, um während des Gefechts beschädigtes zu ersetzen.
Die Atmosphäre an Bord war fast unbeschwert. Man hatte einen Sieg errungen. Fünf Männer waren gefallen, zwei schwer verwundet. Den Rest hatte Tuson als leichtverletzt bezeichnet. Die Heftigkeit ihres Angriffs hat die Verluste niedriger gehalten, als Bolitho zu hoffen gewagt hatte. Er hatte Tusons Warnung verstanden; aber es war sinnlos, Einwände zu erheben.
Durch die dicke Scheibe sah er den dunstigen Umriß der
Icarus,
deren Großsegel in der Mittagssonne fast weiß leuchtete.
Rapid
war voraus auf Station, und abgesehen von den Reparaturen und fünf Seebestattungen wies nichts darauf hin, daß sie einen französischen Zweidecker versenkt hatten. Keen hatte festgestellt, daß der Name des Schiffes
Calliope
war, ehe die Karronade sein Heck zu Kleinholz gemacht hatte.
»Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Sir…« fuhr Tuson fort.
Bolitho schaute in seine Richtung. »Sie sind ein guter Arzt. Aber was können Sie mir schon raten? Beim Gehen verliere ich das Gleichgewicht wie ein betrunkener Matrose, und ich kann kaum einen Mann vom anderen unterscheiden. Was wollen Sie mir dagegen raten?«
»Trotz allem haben Sie ein Gefecht gewonnen, Sir.«
Bolitho wies nach oben zum Skylight. »Die Männer haben es gewonnen, nicht ich.«
»Sie könnten einen Stellvertreter anfordern«, Tuson sprach trotzig weiter, auch als Bolitho wütend herumfuhr, »und sich daheim von einem Facharzt behandeln lassen.«
»Ich werde Nelson nicht um einen Gefallen bitten. Die Franzosen kommen heraus, das weiß ich genau.«
»Und was soll aus dem Mädchen werden?«
Bolitho lehnte sich zurück und spürte die Sonne durch das Glas heiß auf seiner Brust.
»Ich werde Vorkehrungen für sie treffen.«
Tuson lächelte. »Sie wollen mich nicht mit hineinziehen, wie?«
Es klopfte an, und Keen betrat die Kajüte. Er war in den drei Tagen seit dem Gefecht fast unablässig auf den Beinen gewesen.
»Geht es Ihnen gut, Sir?« fragte er Bolitho.
Bolitho wies auf einen Stuhl. »Jedenfalls nicht schlechter.«
Keen sah, daß Bolithos Fuß nervös wippte.
»Rapid
hat ein Schiff im Südwesten gemeldet, Sir. Ein kleines, das sich unter vollen Segeln nähert.«
»Aha.«
Keen war bemüht, seine Besorgnis zu verbergen. Bolitho wirkte so uninteressiert. Alles Feuer, alle Entschlossenheit, die er bei der Vernichtung des Franzosen gezeigt hatte, schien verschwunden zu sein.
Der Posten rief: »Midshipman der Wache, Sir!«
Keen seufzte und ging zur Tür. »Na, was ist, Mr. Hickling? Spannen Sie uns nicht auf die Folter.«
Der Junge zog eine Grimasse und versuchte, sich an den genauen Wortlaut der Meldung zu erinnern.
»Empfehlung von Mr. Paget, Sir.« Sein Blick glitt an Keen vorbei in die Kajüte, wo sich Bolithos Umriß vor den Heckfenstern abhob. Hickling war erst dreizehn und hatte während des Gefechts auf dem unteren Batteriedeck mit ansehen müssen, wie ein Mann von Splittern zerrissen wurde. Trotzdem wirkt er unverändert, dachte Keen.
Hickling fuhr fort: »Das Schiff ist als die Brigg
Firefly
identifiziert worden, Sir.«
Bolitho kam wankend auf die Beine und rief: »Ist er ganz sicher?«
Hickling beobachtete seinen Admiral neugierig und ohne Ehrfurcht. Dafür war er einfach noch zu jung.
»Mr. Paget meint ja, Sir Richard.«
Bolitho legte dem Midshipman die Hand auf die Schulter.
»Eine gute Nachricht.« Hickling starrte die Hand an und wagte sich nicht zu rühren, als Bolitho hinzufügte: »Leutnant Paget hat Ihr Verhalten unter Feuer sehr gelobt. Gut gemacht, Mr. Hickling.«
Der Midshipman eilte fort, und Keen sagte leise: »Das war sehr freundlich von Ihnen, Sir. Nicht jeder hätte sich die Mühe gemacht.«
Er sah Bolitho zur Sitzbank zurückkehren und merkte, daß er bedächtig einen Fuß vor den anderen setzte, als wolle er die Bewegungen des Schiffes ertasten, einer Falle ausweichen.
Bolitho wußte, daß Keen ihn beobachtete. Aber wie könnte ich meinen Kummer teilen? dachte er. Wie kann ich ihm sagen, daß ich außer mir vor
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