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Donner unter der Kimm

Donner unter der Kimm

Titel: Donner unter der Kimm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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jeder Zwischenfall, jedes Problem direkt unter die Haut zu gehen. Er griff nach seinem Pokal und merkte, daß Herrick mit Absicht nicht hinsah, nur für den Fall, daß er ihn wieder umstieß.
    »Ich werde persönlich erscheinen«, sagte er. »Ich habe nicht die Absicht, eine schriftliche Aussage einzureichen, als wäre das nur eine zweitrangige Angelegenheit. Die Zukunft meines Flaggkapitäns ist in Gefahr, und ich denke nicht daran, tatenlos zuzusehen, wie er von Feinden, über deren Namen ich nur Vermutungen anstellen kann, verleumdet wird!«
    Herrick winkte seinen Steward hinaus. Dann sagte er beherrscht: »Es war nicht recht von Keen, eine verurteilte Strafgefangene von einem Schiff zu entfernen. Die Tatsache, daß es sich um eine junge Frau handelt, erschwert noch den Fall.«
    Bolitho stellte sich das schmutzige Sträflingsschiff und die junge Zenoria an der Gräting vor. Das Mädchen würde für den Rest seines Lebens die Narbe auf dem Rücken tragen. Es hätte sterben müssen, wenn Keen nicht gewesen wäre. Niemand hatte damals voraussehen können, welche Folgen dieser Zwischenfall haben würde.
    »Wenn es sich um einen gewöhnlichen männlichen Gefangenen gehandelt hätte …« meinte Herrick.
    »Aber das war eben nicht der Fall, Thomas. Sie wurde fälschlich beschuldigt und zu Unrecht verbannt. Mein Gott, Mann, man wollte sie wegen ihres Vaters aus dem Weg schaffen!«
    Herrick rutschte unter Bolithos zornigem Blick unbehaglich auf seinem Stuhl herum. »Andere sagen aber…«
    Bolitho stand auf. »Wenn du wieder mal an Dulcie schreibst, richte ihr bitte meine besten Grüße aus.«
    Auch Herrick war jetzt auf den Beinen. »Bitte geh nicht im Zorn, Richard!«
    Bolitho atmete tief, um sich wieder zu fassen, ehe er vor die Ehrenwache trat.
    »Wer wird sonst noch zugegen sein? Kannst du mir wenigstens das verraten?« Er verbarg seine Verbitterung nicht.
    Herrick erwiderte: »Admiral Sir Marcus Laforey und sein Flaggkapitän.« Abrupt fügte er hinzu: »Ist diese Frau noch auf der
Argonaute
?«.
    Bolitho griff nach seinem Hut. »Darauf kann ich dir keine Antwort geben, Thomas.« Er ging durch die Tür. »Das könnte als Absprache ausgelegt werden.«
    Bolitho wußte, diese Bemerkung war unfair, aber im Augenblick stand mehr auf dem Spiel als nur Worte. Seine und Keens Karriere waren auch dann gefährdet, wenn kein negatives Urteil erging, denn das Gerücht würde sich rasch verbreiten. Dem mußte Einhalt geboten werden.
    Die beiden Admirale gingen zwar gemeinsam zur Pforte, aber Bolitho hatte sich noch nie von seinem Freund ferner gefühlt. Dabei kannte er Herrick länger als Allday, der auf eben dieses Schiff zwangsverpflichtet worden war.
    Er zögerte, als die erste Reihe Seesoldaten in sein Blickfeld kam. Der Oberfeldwebel am Ende, dessen Blick starr aufs Land gerichtet war, wirkte seltsam steif. Bolitho blieb stehen und konnte dann das Gesicht unterbringen. Der Mann, damals nur ein gemeiner Seesoldat, hatte ihm an jenem gräßlichen Tag geholfen.
    »McCall, ich habe Sie in guter Erinnerung«, sagte er leise. Der Oberfeldwebel, dessen Hauptmann hinter Bolitho stand und zuschaute, blieb steif stehen. Doch seine Augen wurden lebhaft, als er sagte: »Vielen Dank, Sir.« Er zögerte, als fürchte er, zu weit zu gehen. »War ein heißer Kampf, Sir.«
    Bolitho lächelte. »Aye. Freut mich, daß Sie beim Marinekorps vorangekommen sind.« Vielsagend fügte er hinzu: »Aber passen Sie auf, daß andere Ihre Anstrengungen nicht zunichte machen.«
    Bolitho blieb an der Pforte stehen und lüftete grüßend seinen Hut zum Achterdeck. Von morgen an mochte er das Schiff mit ganz anderen Augen sehen.
    Er wußte, daß Herrick ihn besorgt beobachtete – entweder weil er befürchtete, er könne wegen seiner beeinträchtigten Sehkraft stolpern, oder weil er wußte, daß seine Aufrichtigkeit zu einer Entfremdung zwischen ihnen geführt hatte.
    Kapitän Francis Inch beugte sich über die Seekarte und zupfte mehrmals an seinem linken Ohrläppchen, was er oft tat, wenn er über seinen nächsten Schritt nachdachte.
Helicon
stampfte unangenehm im groben Seegang, den der zunehmende Wind aufwühlte. Es war fast Mittag, doch ein dicker werdender Dunst, den selbst der Wind nicht vertreiben konnte, hatte die Sicht auf wenige Meilen reduziert.
    Vor seinem inneren Auge sah Inch die Schiffe vor sich:
Dispatch
direkt achteraus und
Icarus
ein undeutlicher Schemen am Ende der Linie. Inch haßte das unbeständige Wetter. Der Wind war in den zwei

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