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Donner unter der Kimm

Donner unter der Kimm

Titel: Donner unter der Kimm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Sessel zum Fenster gekehrt stand, konnte er sein Gegenüber nur undeutlich sehen. Er starrte über die fette Schulter des Admirals hinweg und sagte: »Ich glaube, daß die Franzosen bald auslaufen werden, Sir. Jobert plant wahrscheinlich ein Ablenkungsmanöver, damit sich die Hauptflotte aus Toulon wegstehlen kann. Das Ziel wäre dann Ägypten oder die Meerenge von Gibraltar.«
    Laforey grunzte. »Reden Sie mir bloß nicht von Gibraltar!
    Wegen dieses verdammten Fiebers darf nichts und niemand dort an Land. Der Felsen ist wie ein gestrandetes Schiff, dauernd geht bei den Einwohnern oder beim Militär irgendeine Seuche um.« Er fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn. »Und guter Wein wird knapp. Hier gibt's kaum noch was anderes als den spanischen Dreck, verdammt!«
    Er hat mir überhaupt nicht zugehört, dachte Bolitho. Laforey rührte sich. »Tja, dann kommen wir mal zu dieser Untersuchung.«
    »Mein Flaggkapitän wird angeklagt…«
    Laforey wackelte mit einem breiten Zeigefinger. »Nein, mein Bester, niemand klagt ihn hier an! Das werden womöglich andere zu tun haben. Aber das Ganze ist doch nur eine Formsache. Die Einzelheiten habe ich zwar nicht gelesen, doch mein Flaggkapitän und dieser Mr. Pullen aus London versichern mir, daß das Verfahren nur Stunden, nicht Tage, dauern wird.«
    Bolitho sagte gelassen: »Kapitän Keen ist der wahrscheinlich beste Offizier, der je unter mir gedient hat, Sir Marcus. Er hat seinen Mut und sein Können unzählige Male unter Beweis gestellt. Meiner Auffassung nach hat er das Zeug zum Admiral.«
    Laforey hob wieder die Lider. Die kleinen Augen darunter waren kalt und mitleidslos.
    »Bißchen jung. Wir haben heutzutage manchen unerfahrenen Springinsfeld, nicht?« Er warf einen Blick auf seinen verbundenen Fuß. »Wenn ich meine Flagge über der Kanalflotte hissen könnte statt hier in diesem, diesem …« Er sah ärgerlich in die Runde, »dann kämen diesen Muttersöhnchen bald die Tränen!« Er wollte sich vorbeugen, doch sein Schmerbauch hinderte ihn daran. »So, Bolitho, was ist nun eigentlich wirklich passiert?« Er sah Bolitho forschend an.
    »Er hat eine Frau nötig gehabt, stimmt's?«
    Bolitho stand auf. »Ich weigere mich, in diesem Ton über meine Offiziere zu sprechen, Sir Marcus.«
    Laforey wirkte überraschenderweise erfreut. »Wie Sie wollen. Das Tribunal tritt morgen zusammen. Wenn Kapitän Keen Vernunft beweist, werden Sie ohne weitere Verzögerung wieder auslaufen können. Wir erwarten einen Geleitzug, und ich kann Unfähigkeit wie alles, was das Leben hier noch unerträglicher macht, nicht ausstehen.« Er sah zu, wie Bolitho aufstand. »Wie ich höre, sind Sie verwundet worden, Sir Richard.« Weiter ließ er sich dazu nicht aus. »Aber das gehört wohl zu unserem Dienst.«
    »In der Tat, Sir.« Bolitho konnte sich den ironischen Ton kaum verkneifen. »Und es wird noch sehr viel mehr Verwundete geben, wenn es den Franzosen gelingt, ihre Flotten zu vereinigen.«
    Laforey zuckte die Achseln. »Ich fürchte, ich muß die Unterhaltung mit Ihnen beenden. Mein Tag ist zu ausgefüllt. Manchmal frage ich mich, ob man sich bei der Admiralität und in Whitehall des Ausmaßes meiner Verantwortung überhaupt bewußt ist.«
    Die Besprechung war vorüber.
    Bolitho ging durch den Korridor und sah einen Lakai mit einem Tablett, auf dem zwei Karaffen und nur ein Glas standen, zu dem Raum schreiten, den er gerade verlassen hatte. Der Admiral war im Begriff, seine Verantwortung voll wahrzunehmen, dachte er bitter.
    Stayt erwartete ihn in der Empfangshalle. Als er sah, wie Bolitho hinaus über den Hafen schaute, sagte er: »Sie erkundigten sich nach der
Benbow,
Sir. Sie ist hier von Grund auf überholt worden.«
    »Und wessen Flagge hat sie gehißt?«
    »Ich dachte, Sie wüßten es, Sir: Sie ist Konteradmiral Herricks Flaggschiff.«
    Bolitho wandte sich ab, um seine Gefühle nicht zu verraten. Nun war das Muster komplett. Er ahnte, was kommen würde, noch ehe Stayt sagte: »Konteradmiral Herrick wird im Untersuchungsausschuß den Vorsitz führen, Sir.«
    »Ich werde ihn aufsuchen.«
    »Das wäre vielleicht unklug, Sir.« Stayts tiefliegende Augen beobachteten ihn ruhig. »Es könnte falsch ausgelegt werden.«
    Von Thomas Herrick, seinem besten Freund, der mehr als einmal sein Leben für ihn gewagt hatte? Er konnte Herricks Augen vor sich sehen, klar und blau, gelegentlich trotzig, zu leicht verletzt, aber stets ehrlich. Ehrlich? Das Wort kam ihm bei dieser Intrige wie Hohn

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