Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
meine Schuld ist, dass es
ihr so schlecht geht!«
»Das ist
doch Unsinn, Schnüffelhase! Du hast deine Arbeit gemacht, das Verbrechen hat ihre
Mutter begangen.«
»Aber ich
war verblendet, ich habe die Falschen verdächtigt. Sie wurde in meinem Verhör härter
rangenommen, als es nötig gewesen wäre. Ich habe alle Warnzeichen in den Wind geschlagen.«
»Hauptkommissar
Swensen, der Unfehlbare mit dem sechsten Sinn! Jan, wach auf! Du bist auch nur ein
Mensch! Menschen machen Fehler!«
Swensen
atmet auf, als Bruno mit dem Essen in ihr Gespräch platzt und mit einem »buon appetito«
gleich zu neu eingetroffenen Gästen weitereilt. Dadurch tritt ihr Ritual in Kraft,
beim Essen nicht zu sprechen. Ihm bleibt eine Antwort erspart, und er versucht,
sich erleichtert dem Essen hinzugeben. Das Wolfsbarschfilet ist goldgelb gebraten
und liegt auf roten Radicchioblättern.
Ich habe
mir nie erlaubt, Fehler zu machen, gesteht der Kriminalist sich ein. Vielleicht
ist das ein Teil meines Erbes, das die Väter den Kriegs- und Nachkriegskindern mit
auf den Weg gegeben haben. 40, 50 Jahre Verdrängung sind fast ein ganzes Leben.
Meine Generation wollte neue moralische Werte schaffen, hat sich gegen die Väter
aufgelehnt und ist doch meistens an den eigenen, hohen Ansprüchen gescheitert. Selbst
bei meinem eigenen Versuch, einen spirituellen Weg zu gehen, erscheint mir häufig
das Ziel wichtiger, als der Weg dorthin.
Plötzlich
hat der Hauptkommissar einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Er spürt erschrocken,
seine Überlegungen könnten eine allgemeingültige Wahrheit besitzen. Den Krieg, den
die Eltern geführt haben, führen die Kinder und Enkel in ihren Lebensentwürfen unbewusst
weiter. Der Hauptkommissar greift zum Glas, entschlossen, mit dem betörend, würzigen
Geschmack des Weines sein Gedankenspiel ad absurdum zu führen. Doch er bleibt, der
bittere Nachgeschmack. Das Klingeln des Handys schallt wie eine Erlösung aus einer
anderen Welt, der realen Welt.
»’tschuldigung,
hab vergessen, es abzustellen«, entgegnet Swensen dem angespannten Gesichtsausdruck
von Anna. »Ich schalt es schon aus!«
Der Hauptkommissar
zieht das Handy aus der Jackentasche und sieht auf dem Display die Telefonnummer
von Peter Hollmann. Er kann sich nicht erinnern, dass sein Kollege ihn jemals in
seiner Freizeit angerufen hat. Vielleicht gibt es etwas sehr Wichtiges?
»Was ist,
Jan? Du überlegst doch nicht etwa, ans Telefon zu gehen?« Anna schaut ihn unmissverständlich
an. Das Handy klingelt erneut.
»Peter Hollmann
ist dran. Der hält sich eigentlich penibel an die Abmachung, nicht nach Dienstschluss
anzurufen. Da muss etwas passiert sein, wenn der so was macht, Anna!«
»Dann geh
schon ran! Es ist nicht zu übersehen, dass du auf Kohlen sitzt.«
»Swensen!«,
meldet er sich.
»Hollmann!
Wo bist du gerade, Jan?«
»Im Dante.
Heute ist Freitag, du weißt, dann gehen wir immer hier essen.«
»Wenn es
euch beiden nichts ausmacht, komme ich kurz vorbei. Es gibt eine Neuigkeit, die
möchte ich dir unbedingt persönlich sagen. Es wird dich freuen, glaub mir, und Anna
wird es auch gefallen, das verspreche ich dir.«
»Dein Wort
in Gottes Ohr! Okay, Peter, komm einfach vorbei.«
Der Hauptkommissar
schaltet das Handy ab und steckt es in die Jacke zurück.
»Jan Swensen,
ich glaub es nicht! Du hast Peter wirklich das Okay gegeben, vorbeizukommen?«
»Er will
mir unbedingt etwas persönlich sagen. Das ist die große Ausnahme, Anna! Er hat mir
versichert, es würde dir auch gefallen.«
»Polizisten!«,
zischt Anna, nimmt den letzten Bissen und schiebt den Teller zur Seite.
Es dauert
keine zehn Minuten, da steht der Chef der Spurensicherung in der Tür, spricht mit
Bruno am Tresen und kommt mit drei kugelbäuchigen Grappagläsern auf einem Silbertablett
an den Tisch.
»Entschuldigt
die Störung«, sagt er verschmitzt und verteilt die klaren Getränke. »Aber ich muss
dir das unbedingt zeigen.«
Er legt
dem Hauptkommissar grinsend einen Din-A4-Bogen neben seinen leeren Teller. Der nimmt
das Papier in die Hand und liest die Überschrift: Verlagsvertrag.
»Als du
in Rüdesheim bei dieser Ordensschwester warst, habe ich den Gmeiner-Verlag angerufen,
wegen unseres Buchprojekts. Dort hat man mir gesagt, ich soll ihnen ein Exposé zuschicken.
Das hab ich dann gemacht. Und als du noch mal in Dänemark warst, da ruft mich Armin
Gmeiner, der Verleger, doch wirklich persönlich an und bittet mich, das Manuskript
und die Fotos an den Verlag zu
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