Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
für die Schuld bezahlen. Ich hab das für
meine Mutter getan, für die kleine Aase in ihr, dieses unschuldige Kind, das die
Deutschen in den Tod getrieben haben. Sie durften damit nicht ungestraft davonkommen!
Die Schuld musste bezahlt werden, genauso wie es in dem Roman steht, den mir Mutter
geschenkt hat. Ich habe sie ihre Schuld bezahlen lassen. Eines Tages wirst du das
verstehen, Kind, eines Tages wirst du mich verstehen.«
*
»Polenta
a bocconi! Fantastico Signora Diete! Branzino al radicchio, eccellente, Commissario! Ein wirklich gute Entscheidung!«, ereifert sich Bruno, zwirbelt begeistert
an seinem Schnurrbart und kritzelt behände die Bestellung auf einen Block. »Ich
heut avanti, vielen Gäste!« Und schon stürmt er zum nächsten Tisch davon.
Der Falesco
Marciliano, der tiefrot im Weinglas schimmert, ist eine Empfehlung vom Chef des
Dante. Seitdem die weinverkaufende Ordensschwester aus der Benediktinerabtei auf
Swensens Frage, »ob sie selbst auch Wein trinken würde«, geantwortet hatte, »wenn
jemand so dicht an der Quelle arbeitet, wäre es eine Sünde, es nicht zu tun« ist
der Hauptkommissar gegenüber seinen selbst auferlegten Vorsätzen nachsichtiger geworden.
Er schaut auf den Glaskelch, bewundert die perfekte Form, führt ihn zur Nase und
riecht das Aroma von reifen Brombeeren.
»Willst
du ihn auch trinken?«, fragt Anna scherzhaft.
»Mit dir
doch jederzeit, Schatz!«
»Auf dass
du wieder zurück bist und ich zufällig zuhause bin!«
Swensen
lächelt und lässt sein Glas an das von Anna klingen. Er trinkt einen Schluck, spürt
den würzigen Geschmack auf der Zunge.
»Alle Tyske
er nazister! Alle Deutschen sind Nazis!«
Der Fluch
springt in sein Bewusstsein. Er sieht das ausdrucklose Gesicht von Sandi Sjøqvist
und hört, wie sie ihm ihren Hass im Vorbeigehen ins Ohr zischt.
»Entschuldige,
Schatz, aber ich war mit meinen Gedanken kurz woanders«, sagt er, und sein Blick
kehrt reuevoll zu Anna zurück.
»Na ja,
nach dem, was du erlebt hast in den letzten Wochen … ich finde, das hört sich sehr
tragisch an, was du mir von eurem Fall erzählt hast.«
Der Hauptkommissar
nimmt Annas rechte Hand zwischen seine Hände, drückt sie fest und lächelt verlegen.
»Ich weiß,
wovon ich rede, Jan, ich hab noch einmal viel gelernt auf diesem Traumakongress.
Neben den Vorträgen habe ich mit einigen Traumaforschern sprechen können. Die haben
alle bestätigt, dass viele Betroffene 40 bis 50 Jahre brauchen, um den Schrecken
nach einem Trauma überhaupt spüren zu können. Ihr ganzes Entsetzen ist meist unter
einem jahrelangen Vergessen verschüttet.«
»Bei dem
Geständnis hatte ich kurz den Eindruck, ganz tief unten besitzt die Frau keine eigene
Identität«, sinniert Swensen mit abwesendem Blick. »Es muss sich eine unendliche
Verzweiflung in ihr aufgestaut haben, die sich dann in einem Akt unbändiger Wut
entladen hat.«
»Bei lange
zurückliegenden Kindheitsschrecken nehmen Depressionen eher zu, anstatt ab«, sagt
Anna. »Wut ist die andere Seite der Depression. Das ist ein Erklärungsversuch, keine
Entschuldigung für eine so schreckliche Tat.«
»Die Waffe
hat man übrigens noch in ihrem Wagen sichergestellt. Du wirst nicht glauben, wem
sie gehört hat. Dem Mordopfer! Oleander Eschenberg hat mit der Harpune auf Hawaii
Fische gejagt. Als er dort seine Zelte abgebrochen hat, brachte er sie mit nach
Dänemark. Sie hing die ganze Zeit bei Freja Sjøqvist im Schuppen, ist nie wieder
von ihm benutzt worden. Frejas Mutter hat sie von dort mitgenommen und für den Mord
benutzt. Eschenberg wurde mit seiner eigenen Waffe umgebracht!«
»Makaber!
Das klingt fast wie Vorsehung. Wie habt ihr das erfahren?«
»Die Frau
hat alles gestanden. Sie hat die Harpune gesehen, als sie Kaminholz aus dem Schuppen
geholt hat. Und weil sie nicht wusste, wie sie an eine Waffe kommen kann, hat sie
die Harpune genommen. Dann hat sie lange in ihrem Garten damit trainiert, bis sie
ganz sicher war, dass sie damit auch treffen würde.«
»Das heißt,
es war ein durch und durch geplantes Verbrechen!«
»Es wird
beim Urteil keine mildernden Umstände geben, da bin ich mir sicher.«
»Und was
ist mit der Tochter, wie kommt sie mit diesen unfassbaren Taten ihrer Mutter zurecht?«
»Die ist
zusammengebrochen, musste mit einem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht werden.
Die Ärzte versuchen, das ungeborene Kind zu retten. Zum Glück steht Kilian Martens
ihr zur Seite. Manchmal quält mich der Gedanke, dass es
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