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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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Lafitte drehte sich um, holte einen Schlüsselbund aus seiner Freibeuterjacke und schloss kommentarlos die Tür des Nebenzimmers auf. Offensichtlich war er an solche Dinge in seinem Haus gewöhnt.
    »Sie heißen eigentlich O’Shady, oder?«
    Lafitte schaute ihn erstaunt an. »Richtig. Whitesail war der Künstlername meiner Ururgroßmutter. Sie ist Mitte des 19. Jahrhundert nach Amerika gekommen, zusammen mit meinem Ururgroßvater. Haben hier in New Orleans gelebt, die beiden. Als er im Krieg starb, ist sie völlig verarmt zurück nach Irland.«
    Dann wusste sie wohl doch nicht, wo ihr Mann sein Vermögen versteckt hatte, dachte Siebeneisen. Und war ohne das Gold zurück in ihre alte Heimat gegangen. Für einen Moment überlegte er, ob er von seiner Begegnung mit dem Geist erzählen sollte. Stattdessen fragte er Whitesail alias Lafitte alias O’Shady, ob er auch male, so wie seine Ururgroßmutter.
    »Hab’s eine Zeitlang versucht, damals hab ich auch ihren Künstlernamen angenommen. Bin aber offensichtlich nicht wirklich talentiert genug, um …« Lafitte brach mitten im Satz ab und blickte zur Wand. Im Zimmer nebenan ächzte und stöhnte ein beanspruchtes Bett. Schreie waren auch zu hören. Der Pirat runzelte die Stirn.
    »… um damit wirklich über die Runden zu kommen. Stattdessen bin ich nach L . A . Und hab begonnen, historische Filme auszustatten.«
    »Und das hat funktioniert? Ist doch bestimmt ein begehrter Job, oder?« Siebeneisen dachte an all die grässlichen Robin-Hood-, Dracula- und Drei-Musketier- Verfilmungen aus den Neunzigern, deren Titelmelodien von Menschen wie Brian Adams, Sting oder Rod Stewart gesungen worden waren, oder, noch schlimmer: von allen zusammen.
    »Das hat wunderbar funktioniert.« Lafitte lächelte. Er stellte den Spendenschuhkarton auf eine Anrichte.
    »Anders als meine Konkurrenten habe ich mein halbes Leben in Europa verbracht. Wir Iren beschäftigen uns gerne mit der europäischen Geschichte. Wahrscheinlich, weil wir tief in uns drinnen herausfinden möchten, warum wir eine so dumme Rolle in ihr spielen. Ich kann jedenfalls eine in China gefälschte Ritterrüstung an der Position ihrer Scharniere von einer echten aus Essex unterscheiden. Ich kann Ihnen auch sagen, welche Strumpfhosenfarbe die Damen am Hofe von Heinrich VIII . getragen haben und dass es damals fast unmöglich war, in England an dunkelgrauen Samtstoff zu kommen. Anders gesagt: Ich bin besser als die anderen, weil ich wahrheitsgetreuer bin. Hollywood erkennt so etwas schnell. Und dann zahlt Hollywood verdammt viel Geld. Ich hätte schon mit 30 nicht mehr arbeiten müssen.«
    Blitzschnell, von einem Moment auf den anderen, bildete sich eine kleine Faust in Siebeneisens Magen. Er war kurz davor, einem Menschen zu erklären, dass er 50 Millionen Euro erben würde. Und nun war das blöderweise einer, der schon mehr als genug besaß. So hatte er sich das nicht vorgestellt, dachte er, sie konnte beschissen ungerecht sein, diese Welt, aber nun gut, Job war Job, und Erbe war Erbe.
    »Ich bin in der Stadt, um Ihnen eine Mitteilung zu machen«, sagte Siebeneisen in seinem schönsten Mitteilungston, »Sie sind einer von insgesamt acht Erben der verstorbenen Claire O’Shady. Jeder der Erbberechtigten hat Anspruch auf eine Summe von 50 Millionen Euro.«
    Von manchen Momenten heißt es ja, dass man die Stille habe greifen können, und um solch einen Moment hätte es sich in diesem Moment bestimmt gehandelt, wenn nicht – in eben diesem Moment – das Bett im Nachbarzimmer endgültig genug gehabt hätte. Es kollabierte. Und fiel auseinander, offensichtlich, jedenfalls waren nicht nur erschrockene Schreie zu hören, sondern auch das helle Splittern von Porzellan und ein Geräusch, das entsteht, wenn ein großes Stück Holz – ein Baumstamm, ein Pfahl, ein Bettpfosten – mit einer großen Fläche Glas kollidiert, zum Beispiel mit einem hohen, schlanken Fenster eines großen Herrenhauses. Als das Klirren verhallt war, folgte eine kurze Stille, bevor der Lärm erneut einsetzte, dieses Mal klang es, als falle ein antiker, nicht genagelter, lediglich zusammengesteckter Kleiderschrank auseinander.
    Whitesail alias O’Shady alias Lafitte stürmte aus dem Zimmer hinaus auf den Flur und riss die Tür des Nebenzimmers auf.
    »Wie oft habe ich euch gesagt, dass ihr hier alles machen könnt, alles, solange ihr mir meine Möbel nicht kaputtmacht?« Er schien jetzt im Zimmer zu sein, um den Schaden zu betrachten, Siebeneisen sah die

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