Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
Frau von eben an seiner Tür vorbeihasten, gehüllt in ein Bettlaken, und hinter ihr einen Mann, und hinter diesem das Paar in den schwarzen Capes, die wiederum hinter ihnen herzuflattern schienen.
»Nein! Nein!!« Lafitte war offenbar noch bei der Schadensaufnahme.
»Das war eine Kommode von Louis XV .! Und ein Roentgen-Sekretär! Bleibt stehen!«
Siebeneisen beschloss zu bleiben, wo er war, das schien ihm das Beste zu sein. Lafitte stürzte an der geöffneten Tür vorbei, in jene Richtung, in die die anderen kurz zuvor geflohen waren. Er hatte einen Säbel in der Hand.
»Ein zorniger junger Mann, unser Freund.«
Siebeneisen fuhr zusammen. In der hinteren Ecke des Zimmers, weit weg von der Tür, saß in einem Sessel Prinzessin Taraifa, reglos, wie eine Statue. Das Licht der Laterne vor dem Haus schien auf ihr Gesicht. Sie lächelte milde. Siebeneisen kroch ein kalter Schauer über den Rücken. Wie um alles in der Welt war die Frau in dieses Zimmer gekommen?
»Ich habe gehört, Sie hatten ungewöhnliche Begegnungen in dieser Stadt? Ich hoffe, es gefällt Ihnen bei uns in New Orleans.«
Ungewöhnliche Begegnungen? Siebeneisen fand das etwas untertrieben. Diese Stadt war ein Panoptikum, bevölkert von Wahnsinnigen und Durchgeknallten, seine Gesprächspartnerin eingeschlossen.
»Sie müssen nicht antworten. Sie kennen mich ja auch überhaupt nicht. Ich habe nur gehört, dass Sie eine Person mit, nun ja, gewissen Wahrnehmungsfähigkeiten sind. Es freut mich, dass Lawn so jemanden gefunden hat, es freut mich sehr.«
Siebeneisen fühlte eine kalte Wut in sich aufsteigen. Was bildete sich diese Voodoo-Hexe ein? Woher wusste sie, wer er war? Wen er gesehen hatte? Wieso saß sie da hinten in einem Zimmer, das Whitesail vor drei Minuten erst aufgeschlossen hatte?
»Aha. Sie freuen sich also. Ich will Ihnen mal etwas sagen: Nach einem etwa 56 Stunden langen Tag, einer Zeitverschiebung von neun Stunden und einem Temperaturunterschied von 46 Grad, nach einer Flasche Tabasco im Essen, einer nicht unerheblichen Anzahl alkoholischer Getränke, nach etlichen Testosteronschüben und anschließender körperlicher Betätigung, nach alldem habe ich im Halbschlaf doch tatsächlich für zwei Sekunden ein Schemen im Raum flirren sehen. Und die Birne in der Nachttischlampe hatte unglaubliche 15 Watt, damit ich das nicht vergesse! So viel zu mir und meinen gewissen Wahrnehmungsfähigkeiten.«
Siebeneisen holte Luft. Endlich hatte er mal ausgesprochen, was er die ganze Zeit über schon gedacht hatte, endlich. Da war er in New Orleans, der Heimatstadt seines geliebten Jazz, und jeder, mit dem er zu tun hatte, wirklich jeder, schien sich nur mit Hokuspokus zu beschäftigen. Die ganze Zeit über wollte er sich das schon von der Seele reden, und jetzt war es gesagt, und jetzt ging es ihm besser. Er merkte, wie seine Wut schon wieder abflaute. Die Frau im Sessel lächelte noch immer.«
»Ich kann Sie gut verstehen. Ihr Verhalten ist völlig normal. Die meisten Personen mit gewissen Wahrnehmungsfähigkeiten akzeptieren diese Gabe nur allmählich. Lassen Sie sich Zeit, Sie sind noch jung. Sie werden noch an die ungewöhnlichen Begegnungen zurückdenken, die Sie bei uns hatten.«
Ganz bestimmt, dachte Siebeneisen, ganz bestimmt, aber glaube nicht, dass du da auch nur eine Nebenrolle spielen wirst. Er würde jetzt Lawn suchen, und dann würden sie diese Party verlassen und nach Hause gehen. Whitesail wusste ja, was er wissen musste. Er würde ihn garantiert anrufen, wenn er den Verlust seiner kostbaren Antiquitäten verkraftet und die Nachricht von seinem Erbe realisiert hatte.
»Nehmen Sie das hier mit.« Die Voodoo-Prinzessin reichte ihm ein kleines, schmales Päckchen. Es war so groß wie ein Finger, mit buntem Stoff eingewickelt und relativ schwer. »Aber nur im Notfall öffnen.« Siebeneisen kamen Form und Gewicht irgendwie bekannt vor, er bewegte das Geschenk in seiner Hand, und irgendwo tief in ihm drin regte sich etwas wie – Heimweh? Er stutzte. Schnell drängte er das Gefühl zurück, von wo auch immer es gekommen war. Als er sich bedanken wollte, war der Sessel am Fenster leer. Natürlich war er leer.
Lawn war in der Küche, wo einige andere Gäste gerade dabei waren, die Flucht der Bettlaken und Vampircapes vor der Rache des säbelschwingenden Piraten szenisch nachzustellen. Die Haustür stand offen, offenbar ging die Jagd jetzt irgendwo da draußen weiter. Man musste sich nicht wundern, dass die Stadt einen etwas
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