Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
Namen nicht verstanden. Klang wie Peitsche. Whip irgendwas. Hat irre schnell geredet, als ob er Telefonkosten sparen wollte. Ich hab dir was aufgeschrieben, Moment …« Lawn öffnete einen Reißverschluss an der Tasche und griff hinein, dann zog sie die Hand wieder heraus und öffnete ein anderes Fach. Als sie dort auch nicht fand, was sie suchte, riss sie die Tasche vom Tisch auf ihren Schoß, kramte ein paar Sekunden in ihrem Inneren und begann dann, jeden einzelnen Gegenstand herauszunehmen, die Sonde, mehrere Lippenstifte, eine Art Geigerzähler, eine Bürste, einen Fotoapparat, zwei Bücher und etwas, das wie ein Stethoskop aussah. Den Zettel fand sie dann schließlich in der linken Tasche ihrer Jeans.
»Kenneth O’Shady
Matazulu Camp,
Tamallango Nationalpark
Südafrika«
Siebeneisen legte den Zettel auf den Tisch. Warum ich, dachte er, warum nur ich? Und dann dachte er an tellergroße Spinnen, Schlangen, Skorpione und wurstdicke Tausendfüßer. An Maden, die aus entzündeten Mückenstichen krochen, an Mahlzeiten, deren Ausgangsmaterial nicht eindeutig zu bestimmen war. Und daran, warum er damals nicht einfach nein gesagt hatte. Oder weggerannt war.
»Alles o. k. mit dir?
Siebeneisen schaute Lawn an. Heute früh sah sie aus wie eine jener Frauen auf alten Fotografien, die ihre Männer auf einem Bahnhof verabschiedeten. Howard Hawks hätte sie geliebt. Wenn er damals weggerannt wäre, hätte er niemals diese Frau kennengelernt, dachte er. Er nahm seine Tasse und trank den letzten Schluck Kaffee.
»Warst du schon mal in Afrika?«
Der Taxifahrer am nächsten Tag hatte es eilig, er schaffte die Strecke hinaus zum Flughafen in weniger als einer Viertelstunde. Weil nach dem Check-in noch viel Zeit bis zum Abflug war, beschloss Siebeneisen, einige New-Orleans- CD s für den Fetten Hecht zu kaufen. Der Shop gleich hinter der Sicherheitskontrolle bot eine ziemlich gute Auswahl und sogar eine Ecke mit Sonderangeboten.
»In was reinhören?«, fragte der Mann an der Kasse.
Siebeneisen entschied sich für ein Blues-Album, early recordings , das würde gut passen zur kargen Einrichtung von Walburgas Kneipe. Schon die ersten Takte kamen ihm bekannt vor, als habe er sie schon einmal gehört, irgendwann vor langer Zeit. Siebeneisen fingerte das Booklet aus der CD -Hülle, hier, Track 1: Robert Johnson, »Hellhound on my Trail«. Er las das Kleingedruckte: »Johnson (1911–1938) gilt als einer der wichtigsten Musiker des Blues, obwohl er lange kein guter Gitarrist war. Der Legende nach verkaufte er 1930 an einer Kreuzung in Clarksdale, Mississippi, seine Seele dem Teufel. Anschließend konnte er spielen wie kein anderer Musiker seiner Zeit. (Foto S. 19)«
Siebeneisen wurde es merkwürdig heiß. Robert Johnson sang in den Kopfhörern, irgendetwas von Höllenhunden, die ihm auf den Fersen waren. Seine Gitarre klagte, und obwohl die Aufnahme von 1932 stammte und kratzte und knackte, schien Johnson direkt neben ihm zu stehen, es war, als singe er unmittelbar in sein Ohr hinein. Siebeneisen versuchte, Seite 19 zu finden, er schwitzte, und natürlich pappten die Seiten zusammen, und dann rutschte ihm das Booklet auch noch aus der Hand, und er musste in die Hocke gehen, um es aufzuheben. Als er sich hastig wieder aufrichtete, begann die Welt merkwürdig zu dröhnen. Und noch lange bevor er die richtige Seite gefunden hatte, wusste er, was auf ihr zu sehen sein würde:
Der Mann auf dem Foto auf Seite 19 war der Parkplatzwächter.
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(Donnerstags im Fetten Hecht.)
Jetzt kam gleich der Refrain, da lief ihr immer ein Schauer über den Rücken. Vor allem an jener Stelle, wo der Sänger von seinem Entsetzen berichtete und dabei so klang, als wolle er alle mit ähnlichen Erfahrungen trösten. Unnachahmlich schön war das! Reine Magie! Zu keiner anderen Musik ließ sich besser arbeiten als zu Hits Pur von Pur, dachte Walburga. Vorsichtig füllte sie die Erdnüsse aus dem Gastroeimer in die kleinen Glasschälchen und stellte Bierflaschen in den Kühlschrank. Heute war Donnerstag, da würden die Herren Schatten und Wipperfürth zum Tipp-Kick kommen. Beziehungsweise zum Debattieren – seit Siebeneisen unterwegs war, wurde an den Donnerstagabenden ja mehr diskutiert als Tischfußball gespielt. Neuerdings brachte Wipperfürth sogar seinen Laptop mit, vor dem saßen sie dann stundenlang an der Wand unter den Geweihen und ausgestopften Rebhühnern und recherchierten, wo sich Schattens Miterben aufhielten. Wenn sie auf dem aktuellen
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