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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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erfreut fest, dass es keine dieser schrecklichen Light-Marken war.
    »Kein Wunder, dass niemand ans Telefon gegangen ist.« Lawn prostete ihm zu, legte einen Arm um seinen Hals und küsste ihn.
    »Möglicherweise hätten wir auch überhaupt nichts verstanden, wenn jemand abgenommen hätte«, sagte Siebeneisen und sah einem bleichen Paar hinterher, das lautlos in weiten, schwarzen Capes an der Badezimmertür vorbeiglitt.
    »Komm, wir suchen den Gastgeber.«
    Die Treppe führte zu einem langen Gang im ersten Stock, von dem mehrere Türen abgingen. Hier waren deutlich weniger Gäste unterwegs, und die Musik war nicht mehr so laut, dass man sich nur schreiend unterhalten konnte.
    Im Zimmer an der Treppe legte ein Mann in einem gebatikten T-Shirt Tarotkarten, fünf oder sechs Gäste mit befederten Augenmasken standen schweigend um den Tisch. Am anderen Ende des Ganges sah Siebeneisen eine farbige Frau in einem Ohrensessel, vor der sich die anderen Gäste verneigten, wenn sie an ihr vorbeigingen.
    »Kennst du die?« Er hatte die Stimme gesenkt und den Kopf unauffällig in Richtung der Frau bewegt.
    »Da hinten? Das ist Prinzessin Taraifa. Die berühmteste Voodoo-Priesterin der Stadt. Angeblich königliches Blut, ihre Vorfahren herrschten irgendwo in Afrika, bevor arabische Sklavenhändler sie an die Franzosen verkauften, die sie auf die Plantagen brachten.«
    »Und sie macht Voodoo? Kann ich ihr ein Püppchen bringen, und sie piekst dann spitze Nadeln hinein?« Siebeneisen dachte an Wipperfürth. Und Schatten. Und daran, dass er sich jede ihrer Untaten hätte aufschreiben sollen.
    »Nein, nicht so was.« Lawn schüttelte den Kopf, ihre Haare flogen ein Stück von links nach rechts und wieder zurück. »Die Leute kommen eher zu ihr, wenn Hausärzte und Psychologen nicht weiterwissen. Bei chronischen Kopfschmerzen zum Beispiel oder bei ständigen Albträumen. Sie versetzt sie dann in Trance. Scheint in vielen Fällen zu helfen.«
    Siebeneisen sah den Flur hinunter. Die Voodoo-Prinzessin saß reglos in ihrem Sessel und sprach zu zwei Männern, die in demütiger Haltung vor ihr standen. Für eine Heilpraktikerin schien die Frau einen ziemlichen Einfluss zu haben. Er beobachtete, wie die Männer sich bekreuzigten und der Frau die ausgestreckten Hände küssten. Dann kam jemand hinter ihm die Treppe hinunter.
    »Danke für euren Beitrag! New Orleans freut sich über jeden Dollar Spende!« Finn Whitesail hielt ihnen einen Schuhkarton entgegen, auf dem jemand mit schwarzem Filzstift einen kleinen Comic-Hurrikan gemalt und Kathrina sucks! danebengeschrieben hatte. Er hatte tatsächlich eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Foto, das Wipperfürth geschickt hatte, zumindest, was sein Gesicht betraf. Alles andere war eher – nun ja: gewöhnungsbedürftig, die Schnallenschuhe, die Strumpfhose, das weiße Spitzenhemd und der Uniformrock aus dunkelrotem Samt. In seinem Gürtel steckten zwei altertümliche Pistolen. Auf dem Kopf thronte ein Dreispitz. Er sah aus wie Käpt’n Hook. Oder Jack Sparrow.
    »Gutes Outfit, oder? Meine Firma stattet gerade eine Hollywoodproduktion aus, Freibeuter der Sümpfe , ein Film über den Piraten Jean Lafitte.«
    »Der mit dem schummrigen Restaurant im French Quarter?« Siebeneisen stellte Lawn vor und dann sich.
    »Ja, genau. Willkommen in meinem bescheidenen Heim! Aus Deutschland? Ihr hattet doch diesen Störtebeker! Könnte man auch mal wieder neu verfilmen … Euren Curd Jürgens finden die jungen Leute heute nicht mehr wirklich sexy, oder?«
    Er verwechselt Störtebeker mit Schinderhannes, dachte Siebeneisen, hatte aber keine Lust, in den nächsten Minuten eine tiefschürfende Diskussion über »Deutsche Gesetzlosen-Spielfilme von 1919 bis 1956« zu führen. Vor allem, weil Lawn sich soeben mit einem »Ich geh mir mal einen Mint Julep holen« verflüchtigt hatte.
    »Mr Whitesail, ich würde Sie gerne kurz sprechen. Können wir irgendwo in Ruhe reden?«
    »Klar.« Whitesail, der eigentlich O’Shady hieß und sich an diesem Abend Lafitte nannte, führte Siebeneisen in den zweiten Stock. Hier oben war die Musik mehr zu spüren als zu hören, das antreibende Pumpen der Bassgitarre vibrierte im Gebälk des alten Hauses und ließ die Fensterscheiben leise klirren. Lafitte öffnete eine Tür, blieb aber abrupt auf der Schwelle stehen, im Licht der Straßenlaterne vor dem Haus sah Siebeneisen den nackten, schweißnassen Rücken einer Frau auf einem Bett, der sich im Rhythmus der Musik auf und ab bewegte.

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