Donovans Gehirn
Anzug glänzte, und die Hemdbrust dazwischen war nur ein gestärktes Chemisette. Wenn er sich bewegte, merkte ich, daß er unter seiner Jacke nackt war.
Er wurde bleich, als er sah, daß ich dastand und lächelte. Seine Augen, rot und hungrig und tief in dem hageren Gesicht eingesunken, starrten mich verzweifelt an.
»Wer gab Ihnen die Erlaubnis, die Leiche zu photographieren?« fragte ich.
Er antwortete nicht, sondern setzte sich wieder, und sagte dann leidenschaftlich: »Donovans Familie würde einen hohen Preis dafür zahlen. Es wird sie interessieren zu erfahren, daß Sie sein Hirn gestohlen haben!«
Ich lehnte mich in meinen Sessel zurück, erschrocken über diesen Ausbruch. Was wußte er über Donovans Hirn?
»Und hier ist noch ein Bild«, sagte er mit Genugtuung. Er fühlte, er hatte mich in die Enge getrieben, und genoß seinen Vorteil.
Er legte das Bild auf den Tisch. Es war nachts durch das Fenster meines Labors aufgenommen worden. Er hatte Blitzlicht benutzt. Das Glasgefäß und die elektrische Apparatur waren deutlich zu sehen. Er hatte das Bild retuschiert und das Hirn markiert.
Yocum seufzte und leckte sich einen Speichelfaden von den Lippen. Als typischer Neurotiker hatte er sich selbst in eine Situation hineinmanövriert, aus der er nicht zurückkonnte, ohne seine Haut zu riskieren.
Was hätte wohl Donovan mit diesem verzweifelten Schafskopf angefangen? Ich war nicht daran gewöhnt, mit Erpressern zu verhandeln, und der Narr konnte mein ganzes Experiment zerstören!
Es hatte keinen Sinn, sich von ihm loszukaufen. Wenn ich mir die Negative aushändigen ließ, ging er mit anderen Abzügen zu Donovans Familie. Er ließ gewiß keinen Winkelzug unversucht. Seine Einfalt steigerte die Gefahr; dieser Typ schreckte vor nichts zurück.
Ich hatte kein Geld.
»Wieviel verlangen Sie für die Negative?« Er grinste und fuhr nervös mit einem schmutzigen Taschentuch an seine Lippen. »Fünftausend Dollar.«
Ich stand auf. Er drückte seine Tasche fest an sich. Seine Augen bettelten. Er hatte jede vorgetäuschte Sicherheit verloren und war nur noch jämmerlich.
»Gut«, sagte ich. »Aber ich habe nicht soviel Geld bei mir. Und einen Scheck werden Sie nicht gern nehmen.«
Wenn ich ihn noch einen Tag hinhielt, konnte ich einen Ausweg finden. Donovan mußte etwas tun, um uns zu retten. Wenn ich nur die Verbindung mit ihm herstellen konnte!
»Sie werden mich um acht Uhr in dem Ontra-Café treffen, Ecke Hollywood und Vine«, sagte er und sah halb mürrisch, halb aufgeregt an mir vorbei. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging fort, den Kopf zwischen die Schultern ziehend.
Zweihundert Meilen entfernt von Washington Junction und meinem Labor fühlte ich mich plötzlich nicht imstande, die Aufgabe zu erfüllen, die mir gestellt worden war. Sie bot jetzt anscheinend unüberwindbare Schwierigkeiten.
Ich setzte mich in einen der weichen Stühle der Halle und versuchte, einen Schlachtplan zu entwerfen. Wenn ich die Augen schloß, fühlte ich das Prickeln der seltsamen Erregung, die jedesmal den Botschaften des Hirns vorausging.
Mein Geist wurde unklar, obwohl ich immer noch meine eigenen Gedanken erkannte – aber sie waren wie hinter einem durchsichtigen Schleier verborgen, von meinem vollen Bewußtsein abgeschnitten.
Ich fühlte einen starken Zwang aufzustehen. Gehorsam erhob ich mich und verließ das Hotel, ging die Straße hinunter, blieb bei den Verkehrssignalen stehen und bewegte mich mechanisch, von Donovans Willen geleitet. Dem mächtigen und zwingenden Impuls, der mich trieb, setzte ich keinen Widerstand entgegen. Donovans Hirn unterlag keinen Schwankungen. Es war neuen Eindrücken verschlossen, von neuen Ideen abgeschnitten, die in endlosem Strom durch den normalen Geist fließen und ihn immer zerstreuen. Donovans Hirn dachte geradeaus auf einen Punkt zu – nur auf einen Punkt. Sein einziger Gedanke setzte mich in Bewegung.
Ich blieb bei der Kalifornischen Handelsbank stehen, die ich schon im Traum gesehen hatte. Ich stieß die Tür auf und ging hinüber zum Kassierer, der, wie er mir als Vision erschienen war, ein gelblich bleiches Gesicht und ein schwarzes Bärtchen hatte. Ich bat um einen Blankoscheck, ging zum Schreibpult und nahm die Feder in die linke Hand. Ich füllte den Barscheck aus – auf fünfzigtausend Dollar – unterschrieb mit dem Namen Roger Hinds – in Donovans Handschrift – und zeichnete sorgfältig ein Pik-As in die obere rechte Ecke.
Nicht eine Sekunde bezweifelte
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