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Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch

Titel: Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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ergattert.
     
    Aber schnell habe ich gelernt, dass die Planung einer deutschen Party nicht nur mit den Aushängen zu tun hat. Ich bin oft auf deutschen Partys gewesen, bei denen man einige Tage vorher eine Liste mit Speisen und Getränken vom Gastgeber bekommen hat, die für die Party benötigt wurden. Als ich einmal nachfragte, ob das alles wirklich notwendig
sei, antwortete mir der Gastgeber verdutzt: »Ja, selbstverständlich, denn das letzte Mal, als ich eine Party geschmissen habe, ohne vorher eine Liste verteilt zu haben, hatten wir plötzlich 20 Kartoffelsalate! Das war eine Katastrophe!«
    Als er mir das erzählte, dachte ich bei mir:
Wenn so was in Amerika passieren würde, würde der Gastgeber alle herzlich begrü-βen mit den Sätzen: »Hi, everyone! Welcome to my potato salad party!«
    Auf solchen Partys, auf denen vorher die mitzubringenden Speisen aufgeteilt werden, stelle ich dennoch ziemlich oft fest, dass es gerade deswegen viel Stress gibt, denn alle wollen, dass das, was sie mitgebracht haben, bei den anderen Gästen gut ankommt - das heißt, tatsächlich gegessen wird. Mir kommt es manchmal wie eine Art Wettbewerb vor. Wie zum Beispiel auch auf der letzten Party, auf der Stefanies Kartoffelsalat und Petras Nudelsalat miteinander konkurrierten, frei nach dem Motto: Welche der beiden Schüsseln wird zuerst geleert?
    Aber letztendlich mache ich mir weniger Sorgen um die beliebtesten Salate, sondern mehr um die Speisen, die aus irgendeinem Grund von allen ignoriert werden. Auf jeder deutschen Party, auf der ich bisher war, scheint es immer solche Gerichte zu geben. Gerichte, die vielleicht niemand kennt oder zu außergewöhnlich aussehen. Keine Ahnung, vielleicht liegt es daran, dass ich Amerikaner bin, aber ich kann es nicht ertragen, wenn irgendjemand oder irgendwas ignoriert wird. »Make everybody feel good!« Und deswegen bin immer ich derjenige, der sich entweder mit der hässlichsten Frau auf der Party unterhält. Oder eben das unbeliebteste Gericht in großen Portionen auf den Teller schaufelt.
    Anfangs in Deutschland ging ich zum Glück noch oft auf Studentenpartys, bei denen es im Grunde kein Kopf-an-Kopf-Rennen unter den mitgebrachten Speisen gab: Der eine brachte Salzstangen mit, der andere Erdnussflips, und noch ein weiterer - der vielleicht ein bisschen besser bei Kasse war - eine Familienpackung gemischtes Knabberzeug.
    Gerade auf solchen Partys merkte ich oft, dass fast alle Gäste meistens ernsthafte Gespräche führten. Einmal war ich auf einer Feier, auf der die Stimmung scheinbar so schlecht war, dass ich mich gleich nach wenigen Minuten fragte:
Bin ich hier wirklich richtig? Vielleicht bin ich in der falschen Wohnung gelandet? Gar nicht auf einer Party, sondern auf
     einer Trauerfeier?
Aber dann sah ich überall die vielen Salzstangen und Chips rumstehen und war mir ziemlich sicher:
Nein, john, du bist schon richtig hier. Die haben hier alle einen Riesen-Spaß - nur du als Ami erkennst das nicht!
    Denn mir ist nach und nach aufgefallen — zu Beginn meiner Karriere als Partygänger in Deutschland —, dass man sehr gerne und auch sehr ausführlich über alle möglichen, total ernsthaften Themen redet. Das fand ich damals - wie heute - auch gut, denn das ist für mich als Amerikaner was ganz Neues gewesen. Auf amerikanischen Partys ist es sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, dein Gegenüber oder eine ganze Gruppe in ein Gespräch über Erderwärmung, nukleare Abrüstung oder Krieg zu verwickeln. Auf deutschen Partys ist das überhaupt kein Problem!
    Ich war einmal auf einer Party in Köln, auf der fünf oder sechs Leute total angeregt über den Kosovo-Krieg diskutierten. Und während ich daneben saß und verfolgte, wie total aufrichtig und ernsthaft über das Thema diskutiert wurde, stellte ich mir vor, wie in Amerika solch eine Diskussion ablaufen würde.
    »Hey, Jim, what do you think about Kosovo?«
    »Kosovo? Do I know her? Is she hot? Is she also here?«
    Ich habe ausländische Freunde, die mir immer sagen, wie schwer es für sie ist, auf solchen Partys mit Deutschen in Kontakt zu treten. Ich dagegen habe ganz andere Erfahrungen gemacht. Ich muss nur sagen: »Hi, ich bin John und ich komme aus Amerika« und plötzlich bin ich bei allen Gästen total gefragt. Der eine schimpft über Amerikas Außenpolitik, ein anderer über unsere Wirtschaftspolitik und wieder ein anderer über Amerikas Klimapolitik. Einmal fragte ich aus Spaß, um die angespannte Atmosphäre ein bisschen

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