Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch
Cousine Melynda, ob ich Lust hätte, mit ihr ins »Recycling-Center« zu fahren, um das Altpapier und den anderen Müll zu entsorgen. Ihre Frage überraschte mich.
Ich dachte:
Ins Recycling-Center fahren? Haben wir hier so was überhaupt?
Auf dem Weg zum »Recycling-Center« fragte ich mich, ob das etwas mit Obama zu tun hatte, nach dem Motto: Guantánamo wird geschlossen und dafür werden Recycling-Centers eröffnet!
Aber während wir gemeinsam den Müll sortierten, erzählte meine Cousine, dass in den USA schon lange der Müll getrennt wird. Und da wurde mir klar, dass ich es anscheinend war, der in den typischen Klischees lebte, von denen auch einige Deutsche ausgehen wie zum Beispiel:
»Die Amis haben keine Kultur.«
»Die Amis sind alle dick.«
»Und an jeder Straßenecke wird einer erschossen.«
Das stimmt überhaupt nicht - okay, an jeder zweiten
schon. Aber dass meine Landsleute auch schon Recycling betreiben, hätte ich ihnen auch nicht zugetraut.
Diese neue Erkenntnis wurde gleich ein paar Tage später nochmals untermauert. Nämlich als ich Melyndas Vater, meinen Onkel Joe, der Lehrer ist, an seiner Schule besuchte. Während er mir die ganze Schule zeigte und wir die verschiedenen Gänge des Gebäudes entlangliefen, fiel mir auf, dass überall Recycling-Tonnen aufgestellt waren. Links standen Müllcontainer für Plastikflaschen und rechts einige für Blechdosen, Altpapier und Kompost. Und dann gab es auch noch Entsorgungsbehälter für alte Handys, leere Druckerpatronen und sogar für Batterien.
Und während ich mir alles anschaute, fragte ich mich:
Nehme ich die vielen Recycling-Container nur wahr, weil ich in Deutschland dafür sensibilisiert wurde? Hat meine fast grenzenlose Begeisterung nur etwas damit zu tun, dass ich in dieser Hinsicht deutsch geworden bin? Früher hätte ich nur Fast-Food-Läden wahrgenommen.
Bei näherer Betrachtung der Müll-Container an Joes Schule stellte ich anerkennend fest, dass alle Container nicht nur ziemlich voll waren, sondern auch immer gefüllt mit dem richtigen Müll! Ich war begeistert! Das liegt sicherlich nicht zuletzt daran, dass viele Lehrer bundesweit das Thema Mülltrennung und Umweltschutz in ihren Unterricht einbauen. Das finde ich super! Und ich kann mir vorstellen: Meinem früheren Umweltschutz-Vorbild Hans Christian Ströbele wäre es genauso gegangen.
Heute kann ich behaupten, dass die USA sogar noch einen Schritt weitergehen als Deutschland: Seit mehr als zwölf Jahren gibt es nämlich den ARD . Bei diesem Tag geht es nicht um den deutschen Fernsehsender » ARD «, sondern um
unseren »America Recycles Day«, der jedes Jahr am 15. November stattfindet. An diesem nationalen Gedenktag gibt es bundesweit Hunderte von Veranstaltungen, die sich mit Mülltrennung und Recycling beschäftigen. Mit dem Ziel, die Bevölkerung für dieses Thema zu sensibilisieren.
Und weil wir Amerikaner, wie schon gesagt, den Wettkampf so lieben und immer die Nummer 1 sein wollen, gibt es seit 2001 in den Vereinigten Staaten sogar einen nationalen Wettbewerb, den man »RecycleMania« nennt. Dass es in Amerika so was wie »WrestleMania« gibt, bei der sich muskelbepackte Jungs gegenseitig durch die Gegend schmeißen, die auf Namen hören wie »Hulk Hogan«, »The Rock« oder »Sergeant Slaughter« (was auf Deutsch heißt »Feldwebel Schlachter«), liegt auf der Hand. So sind wir Amis halt. Aber dass es so was wie »RecycleMania« gibt, bei der Studenten nicht nur ans Biertrinken und coole Partys denken, sondern vor allem hinterher an das Recyceln der leeren Bierdosen, das ist außergewöhnlich. Dieser Wettbewerb wurde von Ed Newman von der Ohio University und Stacy Edmonds Wheeler von der Miami University ins Leben gerufen, als beide feststellten, dass die Studenten an den jeweiligen Unis ziemlich unverantwortlich mit dem von ihnen verursachten Müll umgingen. Und das wollten sie unbedingt ändern.
Im Jahre 2001 gab es gerade mal zwei Unis, die an diesem Uni-gegen-Uni-Mülltrennungs-Wettbewerb teilnahmen. Mittlerweile sind es über 500!
Wer hätte gedacht, dass amerikanische Studenten irgendwann total aufs Recyceln abfahren würden? Dass sie auf Partys und Paris Hilton abfahren, wusste man bereits, aber aufs Recycling? Niemals!
Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde es gut so
und hoffe, dass aus den 500 Unis 10000 und mehr werden, denn wir Amerikaner müssen nicht nur umdenken, sondern auch handeln! Denn leider sind wir trotz aller bisheriger
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