Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch

Titel: Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
Vom Netzwerk:
hatte, war es mir überhaupt nicht aufgefallen, wie »slow« man bei uns fährt. Und dieses Feeling von »slow« habe ich heute immer noch, wenn ich einen kurzen Abstecher auf Americas Highways mache. Ich fuhr einmal auf einem in New Jersey. Einer, der sich direkt vor mir befand, fuhr unheimlich langsam. Und als ich an ihm vorbeifuhr, um ihn zu überholen, kurbelte ich meine Fensterscheibe runter und schrie ihm das zu, was man in Deutschland in solchen Situationen so schreit: »Entschuldigung, aber soll ich schieben?«
    Aber viel besser und geschickter verhalten habe ich mich auch nicht, als ich meine eigenen ersten Erfahrungen auf den hiesigen Autobahnen sammelte — damals, vor mehr als 18 Jahren. Ich ging zu Sixt und sagte dem Typ am Schalter: »Ich würde gerne ein Auto mieten.« Tatsächlich wollte ich ein schnelles Modell, um es bei meiner ersten Fahrt richtig krachen zu lassen. Aber weil ich kaum Geld hatte, bekam
ich nur einen Fiat Panda. Die Marke kannte ich damals zwar nicht, aber ich befürchtete schon: »Wenn das Ding ›Panda‹ heißt, dann wird's wahrscheinlich nicht besonders schnell sein. » Und so war es dann auch.
    Ich fuhr auf die Autobahn, gab Gas und stellte fest, dass das nicht unbedingt bedeutete, dass das Auto dann auch sofort schnell fährt. Ich hatte vorher in einem Magazin gelesen, dass es Autos gibt, die von 0 auf 100 in fünf Sekunden beschleunigen können. Aber mein Fiat Panda war leider keines von diesen. Ich wäre damals mehr als froh gewesen, hätte ich die 100 km/h in einer Minute knacken können. Aber das schaffte ich leider auch nicht. Und die Sache wurde noch schlimmer, als ich bei dem Versuch, so schnell wie möglich auf 100 zu beschleunigen, einfach auf die linke Autobahnspur wechselte. Nicht in die Mitte. Nicht nach rechts, sondern nach links. Ganz nach links. Ich dachte mir:
Warum nicht? Die linke Spur ist leer. Ich bin fast bei 95. Was kann schon schiefgehen?
    Sehr schnell musste ich feststellen: Verdammt viel!
    Nach ein paar Minuten schaute ich in meinen Rückspiegel und dachte:
Wow! Mein Auto hat ja richtig schöne Ledersitze!
Und nach ein paar Sekunden stellte ich erschrocken fest: »Oh, shit! Das sind ja gar nicht meine Ledersitze, sondern die des dicken Mercedes hinter mir!« Plötzlich fing der Mercedes-Fahrer an, sehr schnell mit der rechten Hand vor seinem Gesicht rumzuwedeln. Und meine erste Reaktion war: »Hey, ist der nett! Der winkt mir ja zu! Der Typ scheint ein richtig netter Mensch zu sein.«
    Heute weiß ich, dass dieser »nette Typ« damals mir was ganz anderes mitteilen wollte. Weder Nettigkeiten noch den Hinweis »Auf dem nächsten Rasthof gebe ich einen aus!«, sondern eher: »Entschuldigung, aber soll ich schieben?«
    Aber damals wusste ich noch nicht, dass man als Langsamster ganz rechts fährt. Hätte ich das damals schon gewusst, dann wäre ich nie und nimmer mit meinem netten, sympathischen, aufgemotzten Rasenmäher auf der linken Spur gefahren.
    Dass die Amerikaner generell so langsam auf den Highways fahren müssen, hat natürlich einen triftigen Grund.
    Anfang der siebziger Jahre herrschte ja nicht nur in den USA , sondern weltweit eine große Ölkrise. Und um Sprit zu sparen, entschied man in Washington, eine flächendeckende, bundesweite Höchstgeschwindigkeit von 55 Meilen pro Stunde (umgerechnet 89 km pro Stunde) auf allen Highways einzuführen. Sonderlich glücklich waren die Amerikaner darüber natürlich nicht. Überall gab es Proteste - besonders in den ländlichen und dünn besiedelten Gebieten wie Montana oder North Dakota, wo Bisons, Elche und Coyoten zahlreicher vertreten waren als Menschen.
    Diese Geschwindigkeitsdrosselung bekam ich leibhaftig zu spüren, als mein »armer« Cousin Charlie, der in den Neunzigern viel Geld an der Börse verdient hatte und sich daher einen Porsche 911er Turbo leisten konnte, mich eines Tages in seinem tollen Wagen mitnahm. Während wir eine kurvige Straße entlangfuhren, merkte ich, wie wir schon 55 km/h erreicht hatten, bevor Charlie überhaupt in den zweiten Gang schalten konnte. Als ich aber merkte, dass er gar nicht vorhatte, schneller zu fahren, sondern langsamer, sagte der Deutsche in mir: »Gib Gas, Charlie! Gib Gas! Du fährst einen Porsche mit mehr als 300 PS , gib endlich Gas!« Es kam mir vor, als ob er sich ein teures Rennpferd gekauft hätte, das er nun nur zum Ponyreiten einsetzen würde. Als wir dann immer langsamer und langsamer fuhren, wollte ich am liebsten losschreien: »Mensch, soll

Weitere Kostenlose Bücher