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Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch

Titel: Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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habe einen deutschen Freund, der seinen kompletten Jahresurlaub auf einmal nimmt und noch hinzufügt: »Ich brauche die ersten vierzehn Tage, um überhaupt runterzukommen. Erst dann beginnt der Urlaub für mich richtig.«
    Mensch, lange bevor der überhaupt sein Badehandtuch ausgebreitet hat, sind wir Amis schon wieder zurück am Arbeitsplatz.
     
    Ich denke, weil die Beziehung der Deutschen zu ihrem Arbeitsplatz weniger belastet ist als bei den Amis, läuten sie das Ende des Arbeitstages und den Anfang der Freizeit viel positiver ein, indem sie sagen: »Schönen Feierabend«, »Ich habe Feierabend!« oder »Gott sei Dank, jetzt ist Feierabend!«. Ich finde den Begriff »Feierabend« sehr schön, denn »Feierabend« kommt von »feiern«. Man feiert sozusagen das Ende des Arbeitstages.
    In Amerika tut das keiner. Bei uns heißt es statt »celebration time« »quitting time«. Bei näherer Betrachtung hat »quitting time« ziemlich wenig mit der Idee des Feierns zu tun, sondern viel mehr mit »man kapituliert vor der Arbeit«.
     
    Die OECD , die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit Sitz in Paris, hat bestätigt, dass es nur ein Land in der 30-Länder-Organisation gibt, das mehr Freizeit pro Tag hat als Deutschland. Und dieses Land heißt Belgien. Aber ich kann mir vorstellen, dass es wahrscheinlich nur daran liegt, weil viele Deutsche in Belgien leben.
    Laut einer Studie, die im Mai 2009 veröffentlicht wurde, haben die Belgier 6 Stunden und 39 Minuten Freizeit pro Tag. Die Deutschen sind dicht dahinter auf Platz 2 mit 6 Stunden und 34 Minuten. Am wenigsten Freizeit haben die Menschen in Mexiko, Japan, Australien und in der Türkei. Wir Amerikaner befinden uns ungefähr in der unteren Hälfte der insgesamt 30 Länder.
    Bei uns in den USA sind viele Menschen fest davon überzeugt, dass Deutsche NUR leben, um zu arbeiten. Aber ich habe festgestellt, dass dieses Klischee nur teilweise stimmt. Natürlich arbeiten Deutsche sehr viel und sehr hart, denn die vielen tollen deutschen Autos, die weltweit exportiert werden, bauen sich ja nicht von alleine. Aber was auch festgehalten werden muss und oft unterschlagen wird, ist die Tatsache, dass Deutsche nicht nur leben, um zu arbeiten, sondern auch leben, um Freizeit zu haben. Und das finde ich sehr sympathisch. Ich habe einen deutschen Kumpel, der mir immer sagt, dass er ein schlechtes Gewissen hat, wenn er seinen ganzen Jahresurlaub auf einmal nimmt. Und jedes Mal, wenn er mir das erzählt, antworte ich: »Entspanne dich, Klaus. Don't worry, be German.«

Freizeit/Free Time
    Apropos Freizeit: Ich stellte sehr bald fest, wie sehr man es als Deutscher liebt, in seiner Freizeit wandern zu gehen. Das sieht man allein schon an den vielen Wandermöglichkeiten, die es hier gibt: Man kann in den Bergen wandern, am See, im Wald, in der Stadt, auf dem Land. Und sogar auch im Watt!
    Ich war einmal in den Sommerferien auf der Nordseeinsel Norderney. Und ich hatte zunächst auch nicht ans Wandern gedacht, sondern eher an Sonnenbaden und Entspannung und - wenn ich ehrlich bin - an was Leckeres zu essen. Bis ich mit einem leidenschaftlichen deutschen Wanderer ins Gespräch kam. Wir standen zusammen am Strand und schauten auf das Wasser, als er ankündigte: »Sehen Sie da draußen, dort werde ich wandern, wenn das Wasser weg ist.«
    Diese Aussage hat mich total verblüfft. Ich schaute auf das Wasser, drehte mich dann zu ihm um und outete mich als echter Ami, indem ich ihn fragte: »Warum? Warum würde man so was tun wollen?« Aber im selben Moment dachte ich:
Hey, warum eigentlich nicht? Die Deutschen lieben es zu wandern, und deshalb lassen sie sich auch bestimmt von nichts stoppen.
     Bestimmt auch nicht vom Meer!
Aber ich konnte mir nicht so richtig vorstellen, dass viele am Strand liegende Amerikaner aufs Meer gucken würden, um dann irgendwann zu sagen: »Shit! Wenn das Wasser nicht da wäre, könnten wir dort auch wandern!«
    Meine erste Wattwanderung habe ich dann auf Norderney gemacht, zusammen mit meiner Frau Martina, meinem
Sohn Joshua und anderen Urlaubern. Es hat aber nicht lange gedauert, bis ich das Gefühl hatte, dass eine Wattwanderung hier in Deutschland viel weniger mit einer »Wanderung im klassischen Sinne« zu tun hatte, sondern viel mehr mit - wie soll ich sagen? - Würmern. Denn bei einer normalen Wanderung geht es in der Regel um richtige Entfernungen wie 10, 15, 20 Kilometer. Bei einer Wattwanderung merkt man: Die Entfernungen sind viel

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