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Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch

Titel: Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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Beispiel wenn ich im Cafe sitze und zahlen will. Denn kurz nachdem ich »Zahlen, bitte« sage und die Kellnerin »Sofort« antwortet, wird mir bewusst, dass dieses »Sofort« nicht unbedingt »sofort« bedeutet, sondern viel eher »bald!«, »irgendwann«, »vielleicht später«. Oder »nie.«
    Dieses Problem habe ich auch manchmal mit deutschen Verkäufern, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie nicht so wahnsinnig daran interessiert sind, etwas zu verkaufen. Früher, als ich neu in Deutschland war, hatte ich oft Probleme, überhaupt einen Verkäufer zu finden. Ich suchte und suchte und suchte, aber nur ganz selten fand ich einen. Wenn ich dann doch endlich einen ausfindig machen konnte, sprach ich ihn an: »Entschuldigen Sie bitte, aber sind Sie der Verkäufer?« Viele schauten mich dann verdutzt an, als wollten sie antworten: »Nein, ich tu nur so.« Nach solchen Begegnungen vermutete ich, dass sich alle deutschen Verkäufer im Zeugenschutzprogramm befinden würden und deshalb — sobald sie als Verkäufer erkannt wurden — in eine andere Filiale versetzt würden.
    Aber einmal — keine Ahnung warum, vielleicht war es mein Glückstag — erwischte ich tatsächlich einen Verkäufer in einem Elektrogeräteladen in der Kölner Innenstadt. Ich fragte ihn: »Könnten Sie mir bitte weiterhelfen?«, worauf er antwortete: »Nein, ich habe Pause.« Ich dachte nur:
Mensch! Und ich war so nah dran und jetzt muss ich weitersuchen!
    Ich telefonierte mit meiner Mutter noch am selben Tag.
    »Mom, du wirst es nicht glauben, aber ich habe heute tatsächlich in einem Laden einen Verkäufer gefunden. Es dauerte nur 10 Minuten. Zwischendurch wollte ich schon aufgeben, aber dann hat es doch noch geklappt.«
    »Und dann?«
    »Er sagte, er hätte Pause ...«
    Und so fragte sie mich weiter: »Bist du dann nicht einfach zu einem anderen Verkäufer gegangen?«
    »Einfach zu einem anderen Verkäufer gehen? Wie stellst du dir das vor? So einfach ist das nicht in Deutschland, Mom. Ich hatte diesen Verkäufer bereits 10 lange Minuten gesucht. Und als ich ihn endlich gefunden hatte, sagte er mir: ›Ich habe Pause!‹ Einfach so. ›Ich habe Pause.‹ So was muss man erst verarbeiten. So was muss man erst sacken lassen, bevor man sich auf den Weg macht und einen anderen Verkäufer sucht.« Meine Mutter verstand das nicht.
    »Warum nicht?«
    »Na ja, einmal habe ich es schon versucht. Da ging ich zu einem anderen Verkäufer, der sich nicht versteckt hatte, sondern scheinbar nur gelangweilt rumstand, und sagte: ›Ich habe eine Frage.‹ Daraufhin schaute er mich an, als wollte er gleich sagen: ›Das kann jeder behaupten!‹ Sein verständnisloser Blick hatte mich so verunsichert, dass ich einfach abhaute. Die Verkäufer hier in Deutschland sind
nicht so wie die Verkäufer in Amerika. Sie stehen nicht einfach dort, wo alle sie sehen können, mit einem Lächeln im Gesicht und mit dem offensichtlichen Wunsch, dich zu bedienen. Und nur dich! Nein, so ist das in Deutschland nicht. Und wenn sie dich mal ansprechen - was hier eher selten passiert —, fragen sie nicht, wie es dir geht und wie du heißt oder was du gerade brauchst. Mom, wenn dich ein Verkäufer hier in Deutschland mit ›Hello, ich bin Heinz. Wie geht es Ihnen heute? Wie kann ich Ihnen helfen?‹ ansprechen würde, würdest du als Deutscher wahrscheinlich denken:
Dieser Heinz braucht unbedingt sofort psychologische Betreuung. —
Mom, die Verkäufer hier in Deutschland sind wie Ostereier. Sie kommen nicht zu dir. Du musst sie suchen, wenn du sie finden willst. Deshalb muss ich jetzt auch auflegen, denn ich will versuchen, heute Nachmittag noch einen Verkäufer zu erwischen. Bye!«
     
    In den ersten Jahren in Deutschland habe ich den Satz »ich habe Pause« tatsächlich verdammt oft gehört. Ich habe es sogar einmal erlebt, dass zwei Verkäufer, die nebeneinander standen, anscheinend zur gleichen Zeit Pause hatten. Ich ging nämlich zum ersten hin und fragte: »Könnten Sie mir bitte weiterhelfen?« und er antwortete: »Nein, ich habe Pause.« Dann drehte ich mich um und bat seinen Kollegen um eine Beratung. Dieser schaute mich nur teilnahmslos an und antwortete: »Nein, ich habe auch Pause.«
    Wie war das überhaupt möglich? Die konnten doch nicht alle Verkäufer zur gleichen Zeit in die Pause schicken, oder? Das wäre echt eine organisatorische Meisterleistung ganz nach dem Motto: »Achtung! Achtung! An alle Verkäufer von Karstadt, Kaufhof, Media Markt, Pro Markt und Saturn!

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