Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch
kürzer. Man läuft 20, 30 oder 40 Meter bis irgendeiner aus der Gruppe sagt: »Schauen Sie mal, ein Wurm!« Und dann läuft die Gruppe wieder ein paar Meter weiter, bis wieder ein anderer ruft: »Und da ist noch ein Wurm!« Ich hatte das Gefühl, wir machten keine Wanderung, sondern beobachteten nur verschiedene Wattwürmer. Alle paar Minuten rief unsere staatlich geprüfte Wattführerin Regina aus: »Schauen Sie: Schon wieder ein Wattwurm.« Und dann mussten wir uns alle im Kreis aufstellen, während Regina über die Besonderheiten eben dieses bestimmten Wattwurms erzählte. Dann durften wir das Tier anfassen - buchstäblich aus erster Hand. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte in dem Moment das Gefühl, eine total alte, deutsche Tradition miterleben zu dürfen. Ich dachte nur:
Mensch, was für ein tolles Erlebnis! Man steht im Kreis mit anderen Deutschen, die man nicht kennt und reicht einen glitschigen Wurm weiter!
Das heißt aber nicht, dass wir Amerikaner nicht auch gerne in unserer Freizeit wandern gehen würden. Nein, natürlich wandern wir auch, aber das nennen wir dann »Hiking«. Überall in Amerika gibt es so genannte »Hiking Trails« — zu Deutsch »Wanderwege« —, auf denen bergauf und bergab »gehikt« wird. Keine Ahnung, aber vielleicht hat der Hiking-Boom in Amerika etwas mit unseren 60 Millionen Deutsch-Amerikanern zu tun, die von ihren
Verwandten in Deutschland gesagt bekommen haben, dass sie endlich ihren Hintern hochkriegen sollten. Aber ich bin der Meinung, dass die Popularität von Hiking in Amerika nicht nur auf die gesundheitlichen Vorteile, die es eindeutig hat, zurückzuführen ist, sondern auch auf die Tatsache, dass es als Herausforderung verstanden wird.
»Hey, Bob, how many hours did you need to hike up that mountain yesterday?«
»What do you mean hours? I did it in 20 minutes!«
Aber der wahre Grund, warum die Amerikaner so gerne hiken, liegt für mich an der unglaublichen Schönheit der Natur, die die USA zu bieten hat. Besonders in den westlichen Nationalparks ist diese vorzufinden. Möchte man Canyons und Geysire und Mammutbäume sehen, dann begibt man sich wie gesagt auf einen Hiking Trail, um das alles zu erleben. Und wenn man lieber etwas anderes erleben will, dann gibt es auch Wanderwege in Amerika, die durch Wüsten, Regenwälder und über Berge führen. Ein sehr beliebtes Hiking-Ziel ist »Colorado's Glacier Gorge« im Rocky Mountain Nationalpark, in dem man auf Bergseen, Wasserfälle, Wild Flowers und viele andere typisch amerikanische Sehenswürdigkeiten stoßen kann.
Und was ich auch nicht vorher wusste, ist, dass mein Land sogar einen der längsten Wanderwege der Welt hat, was mich völlig überraschte. Er heißt »Appalation Trail« und erstreckt sich auf mehr als 3000 Kilometer. Ob man da auf viele Amerikaner trifft? Keine Ahnung.
Mein erstes Wandererlebnis in Deutschland hatte ich zusammen mit meinem englischen Kumpel Nigel, als wir an einem kalten Januartag versuchten, hoch auf den Bonner Drachenfels zu wandern. Aber die ganze Aktion hatte eigentlich
viel weniger mit »Wandern« zu tun als mit »Wegrutschen«. Ich erinnerte mich an diverse Sportveranstaltungen im Fernsehen, bei denen die Sportler immer so gut, so fähig wirkten und sich mit einer totalen Leichtigkeit bewegten, und dachte:
So sehen wir bestimmt nicht aus.
Ich glaube, schuld daran war die völlige Überschätzung unserer Wanderfähigkeit. Statt einen lockeren Mosel- oder Rheinwandertag im Herbst zu unternehmen oder den Tag einfach nur auf dem häuslichen Sofa abzuhängen, entschieden wir uns für einen steilen Anstieg an einem sehr verschneiten, kalten Wintertag. Genauer gesagt: Wir entschieden uns für einen Weg, der überhaupt kein richtiger Wanderweg war und der von uns die Kraft, die Kondition und den Gleichgewichtssinn eines Bergziegenbocks abverlangte. Den Drachenfelsgipfel erreichten wir dann doch noch am selben Tag. Und das Schönste an der Geschichte war: Ganz ohne Knochenbrüche.
Servicewüste/Service Paradise
Viele Leute meckern über den Service hier in Deutschland: Sie bezeichnen die Verkäufer als schlecht oder unfreundlich oder - als schlecht
und
unfreundlich. Manche halten meine Wahlheimat sogar für eine »Servicewüste«. Andere halten den Begriff für untertrieben und meinen sogar: »Nein, keine Servicewüste, sondern ein Servicedesaster.«
Wenn ich ganz ehrlich bin, dachte ich damals genauso. Und zugegeben: Dieses Gefühl habe ich auch noch heute manchmal, zum
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