Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch
ich meinem Freund, dass ich das auch gerne machen würde, denn »Kultur« finde ich sehr wichtig.
Daraufhin gingen wir zum FKK -Strand, wo ich mein erstes Volleyballspiel mit nackten Spielern sah. Und ich muss sagen: Das war eine echte Offenbarung! Denn die Leute, die gerade spielten, sahen nicht wie auf Hawaii oder in Kalifornien jung und braungebrannt, muskelbepackt und vollbusig aus, sondern ganz im Gegenteil. Ganz anders. Wie soll ich sie beschreiben? Ich will nicht gemein sein, aber das waren acht in die Jahre gekommene deutsche Rentner, bei denen schon einiges schlaff war. Aber nicht, dass Sie mich falsch verstehen, lieber Leser. Ich wäre froh, wenn ich in dem Alter noch genauso gut aussehen würde wie diese Herrschaften. Im Grunde war ich eigentlich nur überrascht, dass ich so viele — sagen wir - »normal« aussehende Menschen nackt spielen sah.
Wenn man in Amerika an nackte Menschen denkt, die am Strand Volleyball spielen, dann denkt man an Leute wie Pamela Anderson, Paris Hilton, Angelina Jolie oder Brad Pitt. Das heißt, in den USA denkt man unweigerlich an Sex, wenn man an so viele nackte Volleyballspieler denkt. Aber als ich auf Norderney mein erstes Match sah, dachte ich interessanterweise nicht eine Sekunde lang an Sex. Während des Spiels kam mir das Wort »Sex« überhaupt nicht in den Sinn. Das Wort »Schwerkraft« schon eher, aber »Sex« überhaupt nicht.
Gerade das finde ich so toll, dass »nackt sein« in Deutschland nicht unbedingt mit Sex zu tun haben muss. Es
kann
mit Sex zu tun haben,
muss
es aber nicht. Und diese Haltung finde ich gut. Nein, sogar
sehr
gut, denn das wirkt motivierend und macht Mut. Bei mir führte es damals auch dazu, dass ich mir wünschte: Obwohl ich Amerikaner bin, möchte ich eines Tages genauso nackt rumlaufen können wie meine deutschen Mitbürger! Und diese für mich »befreiende« Einstellung führte dazu, dass ich schnell Deutschlands Saunalandschaften für mich und andere befreite Menschen entdeckte. Mich hatte mal einer meiner deutschen Kumpels gefragt, warum wir Amerikaner immer einen Badeanzug in der Sauna tragen würden. Und bevor ich was erwidern konnte, fügte er hinzu: »So was finde ich pervers.«
Mensch, wie toll! In Deutschland ist nackt sein in der Sauna normal und angezogen pervers! Was ist Deutschland für ein Super-Land!
In Amerika hatte ich tatsächlich einmal vergessen, mich für die Sauna vorher standesgemäß anzuziehen. Und sofort — wie man sich vorstellen kann - gab es richtig Stress. Stress zwischen mir und einer bekleideten Frau, die mit mir die Sauna teilte.
Unser Gespräch begann zunächst noch recht ruhig.
»Excuse me, Sir, but you can't do that!«
»I can't do what?«
»You can't be in the sauna with no clothes on.«
Und in diesem Moment stellte ich fest, dass ich tatsächlich dasaß, ohne etwas anzuhaben. Ich war nackt, in einem öffentlichen Raum, und ich hatte es überhaupt nicht bemerkt. Ich dachte: Mensch, meine Deutschwerdung ist viel weiter vorangeschritten, als ich gedacht habe. Aber meine Gedankengänge wurden leider abrupt durch ein »Excuse me, Sir. But just go and get a towel!« unterbrochen. »Sir, just get a towel! Sir, just please get a towel!« Nach dem gefühlten zwanzigsten »Sir, please get a towel!« spürte ich, wie ich richtig Bock bekam, ihr klar und deutlich zu antworten: »Do you know something, lady? In Germany penises live in freedom!« Aber das habe ich ihr natürlich nicht entgegnet, denn das hätte sicherlich meine Verhaftung zur Folge gehabt - was ich natürlich unbedingt vermeiden wollte.
In Deutschland könnte so etwas nie passieren. Hier kann man nackt in die Sauna gehen und kein einziger Mensch denkt daran, dich anzuzeigen, geschweige verhaften zu lassen. Du kannst dich ausziehen und sagen: »Das ist alles echt« oder »Alles made in Germany« oder »Ganz ohne Silikon«, und kein Mensch würde sich darum kümmern. Das finde ich wirklich toll.
Es ist sehr vorbildlich, dass in Deutschland nackte Körperteile nur Körperteile sind und die Menschen in diesem Land generell so locker mit diesem Thema umgehen. Wenn ich in Deutschland in eine volle Sauna gehe, spüre ich, dass alle Besucher totale Profis sind. Der eine sagt: »Ich mach den nächsten Aufguss.« Der andere fächelt sich mit seinem Handtuch Luft zu. Links und rechts und oben und unten
gibt es große und kleine, dicke und dünne Personen - und alles dazwischen. Und ich habe nie das Gefühl, dass die dickeren neidisch auf die
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