Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch
dünneren sind. Oder dass die Männer, die unten herum bestückter sind, sich männlicher vorkommen als die Männer, die unten herum weniger vorzuweisen haben. Und das gefällt mir. Das gefällt mir sogar sehr. Die Nacktheit macht alle irgendwie gleich. Es gibt keine Reichen und keine Armen, sondern nur Nackte. Superlockere Nackte sogar.
Bei einem Saunabesuch blieb zum Beispiel ein Mann, der neben mir saß, sogar dann noch locker, als ich ihn fragte: »Entschuldigen Sie bitte, aber ist das Ihr Penis auf meinem Handtuch?«, denn er antwortete ganz cool: »Das weiß ich nicht. Ich schaue mal nach.«
In Amerika würde niemand so was sagen. Man würde schreien oder verzweifelt mit dem Zeigefinger hindeuten. Oder Jack Bauer aus »24« rufen und sagen: »Jack, bitte, entschärf das Ding - und zwar sofort!«
Meine Frau Martina, die wie gesagt aus der ehemaligen DDR stammt, war ebenfalls immer schon sehr locker drauf, was das Thema Freizügigkeit angeht. Sie sagte mir anfangs immer: »Und wenn du denkst, dass man in Westdeutschland gerne nackt war, dann hättest du die DDR erst mal erleben müssen!« Und jedes Mal wenn sie mir von den nackten DDR -Bürgern erzählte, die damals anscheinend überall herumgelegen haben, antwortete ich ihr: »Schade, dass es die DDR nicht mehr gibt!«
Aber die freie DDR -Nacktheitskultur hält meine Frau am Leben, indem sie fast jeden Tag nackt durch unsere Wohnung läuft. Ich habe sie sogar einmal dabei beobachtet, als sie in ihrem Evaskostüm nach Briefumschlägen suchte.
Ich fragte sie ganz verwundert: »Was machst du denn da?« Und sie antwortete ganz unbekümmert: »Ich suche einen Briefumschlag.«
»Aber warum nackt?« Und weiter lag mir auf der Zunge: »Hat man nackt bessere Chancen, Briefumschläge zu finden, als angezogen?« Aber ich habe das gelassen, denn ich dachte mir: Bei solchen Fragen gibt's nur Ärger.
Amerikaner sind generell nicht nackt, wenn sie durchs Haus laufen. In meiner gesamten Jugend habe ich noch nie meine Eltern oder meine Geschwister nackt durchs Haus laufen sehen. Und auf der Suche nach Briefumschlägen schon gar nicht. Nein, wenn wir Amerikaner unterwegs sind, zum Beispiel vom Badezimmer ins Schlafzimmer oder umgekehrt, dann haben wir meistens ein großes Badehandtuch um die kritischen Körperstellen gewickelt, damit es nichts - und wenn ich »nichts« sage, meine ich »nichts« - zu sehen gibt. Nein, ich glaube, die einzige Person, die ich damals regelmäßig nackt zu Gesicht bekommen habe, war ich selbst. Und das war schlimm genug!
Es gibt viele Thesen, warum wir Amerikaner so sind wie wir sind. Manche meinen, dass unsere »Zurückhaltung« mit dem starken Einfluss der Kirche in Amerika zu tun hat. Dass die Kirche es halt nicht will, dass wir Amerikaner die ganze Zeit nackt durch die Gegend laufen nach dem Motto: Es reicht schon, wenn man nackt auf die Welt kommt!
Andere wiederum meinen, dass Nacktheit etwas mit Scham zu tun hat und dass Menschen, die nackt durch die Gegend laufen, sich schämen sollten, weil sie andere Menschen dadurch provozieren würden - sowohl sexuell als auch ästhetisch. Aber wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich
überhaupt nicht provoziert, wenn ich andere Leute nackt in der Sauna sitzen sehe. Aber vielleicht bin ich in dieser Hinsicht einfach nur deutscher geworden?
Und dann gibt es diejenigen, die meinen: »Wenn ich schon meinen nackten Körper schrecklich finde, warum sollte ich dann diesen Anblick anderen Menschen unbedingt zumuten?«
Ich denke, dass diese Kultur des »Bloß-nicht-nackt-Seins« oft zu ganz merkwürdigen Situationen in Amerika führt. Meine Cousine Melynda zum Beispiel, die Spanischlehrerin an einer Highschool ist, erzählte mir einmal von einer Begebenheit, die sich an ihrer Schule abgespielt hatte. Ein Schüler, der zusammen mit seiner Klasse gerade von einer Sprachreise aus Rom zurückgekommen war, hatte ein Poster von Michelangelos »David« an die Wand des Klassenzimmers geklebt. Auf dem Poster war - wie jeder weiß - David in seiner vollen Schönheit zu sehen. Okay, so weit, so gut. Aber am nächsten Morgen, als alle zum Unterricht kamen, konnte man plötzlich nichts mehr von Davids Pracht sehen. Denn die Klassenlehrerin hatte - wahrscheinlich in einer Nacht- und Nebel-Aktion - sein Geschlechtsteil mit einem blickdichten Pflaster überklebt.
»Aber warum machte sie so was?«, fragte ich Melynda. »Das ist doch Kunst, und bei Kunst kann man doch nicht einfach Bestandteile des Werks
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