DoppelherzTOD
Bericht geschickt. Nichts für ungut, Bruno.« Schmitt klopfte Ehrlicher nochmals auf die Schultern und wollte dann weiterlaufen. »Die Arbeit, weißte, ich muss. Bin noch kein Rentner.«
Hätte Ehrlicher Schmitt besser leiden können, hätte er sich mit echtem Interesse erkundigt, welche Fälle die Kollegen gerade bearbeiteten. So gehörte es sich unter Kollegen. Aber Ehrlicher hatte Schmitts Satz immer wieder im Ohr. Den Hosfeld hat der Infarkt erwischt. Den Hosfeld hat der Infarkt erwischt. Dieser Tod war eigentlich absehbar. Lüge! Das konnte nicht wahr sein. Hosfelds letzte Worte waren: Gift. Bruno, die bringen mich um! Sie waren Frieder Hosfelds Vermächtnis, damit hatte der ihn in die Pflicht genommen. Hosfeld war keines natürlichen Todes gestorben. Zwei altgediente Kriminalisten konnten nicht irren. Und der eine war tot.
»Jeder kann mal danebenliegen, Bruno. Nimm’s nicht so schwer. Vielleicht war es Hosfelds Wunsch, als Ermittler rätselhaft ums Leben zu kommen. Vielleicht hat er dich im Tod noch belogen. Ein Schlitzohr, der Major, ein Schlitzohr.«
Damit reichte Schmitt ihm endlich die Hand. Mechanisch griff Ehrlicher nach ihr. Der Händedruck des Kollegen war sehr kräftig und sein Abgang locker. Ehrlicher glaubte, Schmitt über ihn lachen zu sehen. Er setzte sich auf eine Bank vor den Dienstzimmern für wartende Zeugen. Damit hatte er nicht gerechnet, den Hosfeld hat der Infarkt erwischt. Die Gründe Hosfelds für eine Gewalttat hatten alle überaus plausibel geklungen. Er hatte Ehrlichers anfängliche Zweifel zerstreut. Nein, er schenkte Schmitt keinen Glauben. Er musste den Obduktionsbericht sehen, Dr. Jaenicke würde nicht lügen. Den Hosfeld hat der Infarkt erwischt. Das konnte nicht sein! Hosfeld war genau in dem Augenblick gestorben, in dem er für die Mörder gefährlich werden konnte. Sein Instinkt hatte Ehrlicher selten getäuscht. In diesem Fall stimmte etwas nicht.
Ehrlicher zog sich einen Kaffee aus dem Automaten. Das Gebräu hatte kein Aroma und schmeckte abscheulich pappig. Diese Plörre hatte er während seiner Dienstzeit fast täglich genossen, Kain hatte seinen Kaffee stets selbst gekocht. Heute brühte auch Ehrlicher selbst. Eine Kanne am Morgen, ein Tässchen am Nachmittag. Auf die Toilette wollte Ehrlicher den Aufguss nicht tragen und trank den Plastebecher in einem Zug leer. Mangels eines Papierkorbs stellte er ihn unter die Bank für die Zeugen.
Den Hosfeld hat der Infarkt erwischt. Auch Kain hatte seiner Mordtheorie keinen Glauben geschenkt. Dabei waren sie in den vielen gemeinsamen Berufsjahren selten so unterschiedlicher Meinung gewesen. Sollte er sich nach fünfundvierzig Jahren als Kriminalist wirklich so täuschen? Ehrlicher glaubte es nicht.
Auf dem Weg zu Walters Labor grüßte er keinen Menschen. Er sah sie nicht. Fast wäre er an der Labortür vorbeigelaufen. Er öffnete, ohne zu klopfen. Walter stand hinterm Mikroskop und sah sich nicht um.
»Kein Anstand! Klopfen gilt als Geste der Höflichkeit.« Ehrlicher schwieg. Erst jetzt sah Walter auf und putzte seine Brille am Kittel. »Mensch, Bruno, was machst denn du hier?«
Ehrlicher trat auf den Kollegen zu, so dass Walter seinen Rollsitz zurückschob, um ihn zu begrüßen.
»Hast du das Sektionsprotokoll vom Frieder Hosfeld gelesen?«
»Das habe ich. Es besteht kein Zweifel.«
»Wirklich?«
»Ja, Frieder Hosfeld ist einem Infarkt erlegen.« Ehrlicher fehlten die Worte, hatte sich Hosfeld tatsächlich so in etwas hineingesteigert? Offensichtlich war Walter die Pause zu lang, er sprach weiter. »Hosfeld wies alle Risikofaktoren auf: Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel. Bruno, sei ehrlich, so überraschend kann für dich dieser Befund nicht sein.«
»Ja, aber…«
»Was aber? Alle Symptome waren bei Hosfeld lehrbuchmäßig. Ein akuter thrombotischer Verschluss der Herzkranzgefäße. Keine Blutzirkulation. Kein Sauerstoff. Herzversagen. Dr. Jaenicke überlegt, ob er Hosfelds Herz als medizinisches Anschauungsmaterial für die Studenten konservieren lässt. Er recherchiert grad bei den Hinterbliebenen.«
»Frieder ist in meinen Armen gestorben, Walter! Man lügt nicht in den letzten Sekunden seines Lebens. Gift . Bruno, die bringen mich um, waren seine Worte. Du hättest seine bittenden Augen sehen sollen… Ich kann nicht glauben, dass Frieder eines natürlichen Todes gestorben sein soll.«
»Da ist kein Zweifel möglich, so viele Ärzte du auch konsultierst, so viele Obduktionen du auch durchführen
Weitere Kostenlose Bücher