Doppelspiel der Leidenschaft (German Edition)
ihrer Enttäuschung war niemand zu Hause außer Brutus, der ihre verzweifelte Stimmung zu spüren schien. Er trottete leise winselnd hinter ihr her, während sie ruhelos durch die Räume ging und sich bemühte, das Gelesene zu verarbeiten.
Plötzlich hörte sie die Türglocke läuten, und ihr Herz vollführte einen Hüpfer. Nicolò, dachte sie. Doch dann fiel ihr ein, dass er ja einen Schlüssel hatte.
Sie ließ Brutus zurück und lief zur Eingangstür, um zu öffnen. Zu Kileys Überraschung stand da eine Frau, die ungeduldig mit dem Fuß tippte.
„Na, endlich. Wurde ja auch langsam Zeit“, sagte die Unbekannte und schob sich an Kiley vorbei in die Wohnung. „Kannst du dir vorstellen, wie lange ich gebraucht habe, um dich ausfindig zu machen? Zum Glück habe ich es schlau genug angestellt, dass sie mir im Krankenhaus deine Adresse verraten haben. Warum du da warst, haben sie mir allerdings nicht gesagt.“
„Wer –“ Kiley zögerte und betrachtete die Frau genauer.
Sie war auffällig blond und vermutlich Ende dreißig. Nein, dachte Kiley, sie ist älter, denn um ihren Mund liegt ein bitterer Zug, der nur wegen des sorgfältigen Make-ups nicht sofort auffällt. Sie ist ungefähr so groß wie ich, das heißt klein, und fast ebenso schlank, abgesehen von ein paar Pfund mehr auf den Hüften, was die Jahre so mit sich bringen.
Die Haare trug sie kurz geschnitten, was ihre Gesichtszüge und die lebhaften blauen Augen zur Geltung brachte.
In Kiley kam ein Hoffnungsschimmer auf. „Die Frage mag sich komisch anhören, aber sind Sie … bist du … meine Mutter?“, brachte sie mit zitternder Stimme heraus.
Die Frau hob eine Braue. „Hast du den Verstand verloren? Klar bin ich deine Mutter.“
„Gott sei Dank!“, rief Kiley und umarmte sie unter Tränen. Endlich etwas Erfreuliches an diesem unglücklichen Tag. „Oh, Mom, du ahnst ja nicht, wie froh ich bin, dass du gekommen bist.“
„Kein Zweifel, du hast den Verstand verloren.“ Kileys Mutter befreite sich aus der Umarmung ihrer Tochter. „Was soll das heißen, du freust dich, mich zu sehen? Und warum zum Teufel nennst du mich ‚Mom‘? Bleib doch bei Lacey. Also, wo ist das verdammte Kollier?“
Kiley taumelte förmlich zurück. „Ich … sage Lacey zu dir?“
„Wenn du dich nicht bald zusammenreißt, dann haue ich dir eine rein, da kenne ich nichts. Vielleicht kommst du dann wieder zur Vernunft. Im Ernst, Kiley, was hast du dir dabei gedacht? Hast du wirklich geglaubt, du kommst damit durch?“
„Womit?“ Verständnislos schüttelte Kiley den Kopf. „Ich verstehe nicht … Durch einen Unfall habe ich das Gedächtnis verloren. Keine Ahnung, wovon du redest.“
Zu Kileys Entsetzen lachte Lacey laut auf. „Oh, das ist gut! Du kannst die Tricksereien einfach nicht lassen, stimmt’s? Also los, erzähle.“ Abwartend stand sie mit verschränkten Armen da und tippte wieder unruhig mit dem Fuß. „Ich bin ganz Ohr. Was für ein Trick ist es diesmal?“
Voller Bestürzung sah Kiley Lacey an und dachte: Glaubt mir meine eigene Mutter nicht? Obwohl, nach allem, was in der Akte steht, wäre das allerdings auch kein Wunder … „Du begreifst noch immer nicht. Es ist die Wahrheit: Ich erinnere mich nicht an dich oder meine Vergangenheit – und auch an sonst nichts.“
„Oh, du Arme!“, sagte Lacey scheinbar mitleidig, nur um dann wieder in Lachen auszubrechen. „Eins muss ich dir lassen: Deine Maschen sind wirklich gut. Du hast es geschafft, dass ich mich amüsiere. Und das ist wirklich ein Wunder, wenn ich bedenke, in welch schlechter Stimmung ich hier eingetroffen bin.“
Sie trat an Kileys Seite und hakte sich bei ihr ein. „Willst du deine liebe Mom in der Diele stehen lassen? Führ mich doch ein bisschen herum und zeig mir alles.“
Kileys gesunder Menschenverstand sagte ihr, dass sie das lieber lassen sollte. „Warum gehen wir nicht ins Wohnzimmer?“, schlug sie vor. „Das Haus kann ich dir zeigen, wenn Nicolò heimkommen wird. Im Augenblick ist er beschäftigt.“
„Nicolò?“
„Mein Mann.“
Lacey klappte die Kinnlade herunter. „Du bist verheiratet?“
„Schon fast einen Monat.“ Sie deutete auf das Sofa. „Möchtest du etwas trinken?“
„Meinen üblichen Drink. Aber als Doppelten.“
„Und was trinkst du üblicherweise?“
Lacey zuckte mit den Schultern. „Hätte ich mir ja denken können, dass du darauf nicht reinfällst. „Einen doppelten Scotch, pur.“ Sie wartete, bis Kiley sie bedient hatte. Dann beugte
Weitere Kostenlose Bücher